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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Fläschchen mit 10 Morph + 10 Prom + 10 Dorm. Dann legen wir dich in dein Bett. Wir hoffen, du kannst schlafen – Tag 245.
    Dordsestraat 33, zweiter Stock.
    Ich glaube, jetzt will sie sterben.
    Am Samstagmorgen, 29. September, stößt Linda B. im Supermarkt auf einen Bekannten, er ist Arzt und fragt nach Sanne, sie antwortet, mit Medikamenten sei das Kind kaum noch zu beruhigen.
    Der Bekannte sagt: Vielleicht hilft eine Morphinpumpe. Die versorgt sehr gleichmäßig, kein Auf, kein Ab.
    Ihr wisst, was das bedeutet?, fragt der Kinderarzt im Krankenhaus, es ist Montagmorgen, Tag 259.
    Sanne wird davon nicht sterben, sie wird wegdämmern, nur noch schlafen.
    Hoffentlich für immer, denkt Johan.
    Dordsestraat 33, der Mann und die Frau tragen Sanne durchs Haus, sie setzen sich aufs Sofa, streicheln ihr Kind, schnuppern am Kind, atmen seinen Geruch, hurra!, hurra!
    Sanne lacht nicht mehr.
    Sie will gehen, Johan.
    Linda schreibt: Wir versuchen, jede Sekunde von dir in uns aufzunehmen.
    Endlich kommt der Kinderarzt und setzt eine Morphinpumpe an Sannes Oberschenkel.
    Sanne ist einverstanden, sagt Linda.
    —
    2. Oktober, seit dem frühen Morgen ist Johan unterwegs, Tag 260, Linda erwacht gegen acht Uhr, alles ist ruhig im Haus, Sanne wimmert nicht.
    Sie schläft, denkt Linda, vielleicht ist sie tot, wahrscheinlich ist sie tot.
    Leise schleicht Linda hinüber ins apfelgrüne Zimmer und krümmt sich zum Kind, Sanne atmet, Linda beginnt zu schreien, dann schluchzt sie und hält sich am Bett.
    Linda M., ihre Tochter im Arm, kaum schwerer als bei der Geburt, sitzt auf dem Sofa im zweiten Stock, Sannes Gesicht ist weiß und grau, ihre Augen sind geschlossen, die Wimpern verklebt, Linda zählt, wie oft sie atmet.
    Warte, Prinzessin, bis Papa hier ist.
    Johan kommt um 13 Uhr.
    Linda reicht ihm das Kind.
    Sie sagt: Bei mir ist Sanne gekommen, bei dir soll sie gehen.
    16 Uhr 10.
    Jetzt ziehen sie ihr ein Hemdchen an, auf der Brust eine Ente. Dann eine weiße Hose, die Naht nach innen.

Niemandsmenschen
    Im Januar 2000, den Tag hat er vergessen, bricht Abu Bakr, ein Sattler aus der Stadt Gulja, ins bessere Leben auf. Er streichelt den Bauch seiner Frau und will nicht weinen, die Frau ist schwanger.
    Wann?, fragt sie.
    Bald, sagt er, einunddreißig Jahre alt, und geht.
    Abu Bakr Qassim ist Uigure, Teil einer turkstämmigen Minderheit im Westen Chinas, zehn Millionen Uiguren allein in der Region Xinjiang, sie sind Muslime, erobert und bedrückt von den Chinesen seit einem halben Jahrhundert, Ostturkestan.
    Abu Bakr fliegt von Urumgi in China nach Bischkek in Kirgisien. Dort, auf dem Markt von Torbaz, versucht er sich als Händler, er bietet Broschen an, Uhren, Seile, Lederwaren, kauft sich frei von den kirgisischen Polizisten, die ihn umstellen.
    Sonst schaffen wir dich nach China zurück.
    Manchmal ruft er seine Frau in Gulja an, das die Chinesen Yining nennen, und fragt nach seinem Sohn und dem Kind in ihrem Bauch.
    Wann?, bettelt die Frau.
    Auf dem Markt lernt er Adel kennen, fünf Jahre jünger, Uigure aus Gulja, Adel Abdulhekim redet wenig, er ist Händler, Vater von drei Kindern, aus der Heimat geflohen wie Abu Bakr. Die Männer mieten ein Zimmer am Rand des Basars von Torbaz, betreiben gemeinsam ihr Geschäft.
    Meine früheste Erinnerung, erzählt Abu Bakr dem andern, ist, dass ich als Kind immer nur alte Kleider trug, Kleider mit Löchern, weil wir kein Geld hatten. Ich trug Kleider mit Löchern bis 1985, als ich in der Lederfabrik der Chinesen zu arbeiten begann.
    Und meine früheste Erinnerung, erzählt Adel, als er nachts auf seinem Bett liegt, ist, dass ich mich, auf der Suche nach Schafen, in den Bergen verirrte, drei Tage lang, und dabei fast erfroren bin.
    Zwillinge!, zwei Knaben!, jubelt die Frau. Wie willst du, fragt sie, dass sie heißen?
    Wenn er Geld hat, schickt er ihr Geld. Die Gewinne von Abu Bakr Qassim und Adel Abdulhekim sind klein, die kirgisischen Polizisten ständig frecher.
    Meinen Vater, erzählt Abu Bakr, sperrten die Chinesen zwei Jahre lang ins Gefängnis, weil sie ihn beim Beten erwischten. Sie hängten ihn an die Decke, machten Feuer unter seinen Füßen.
    Den Mann meiner Schwester haben sie erschossen, sagt Adel.
    Anfang Juli 2001, den Tag haben sie vergessen, fliegen Abu Bakr und Adel von Bischkek in Kirgisien nach Karachi in Pakistan. Abu Bakr, der Sattler, weiß von einem Uiguren, der in der Türkei eine Lederfabrik besitzt, ihn wollen sie suchen und um Arbeit bitten.
    Sobald ich dort bin, sagt Abu

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