Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
schützen, jemanden so behandelt, wie ich behandelt worden bin, das übersteigt meine Vorstellungskraft. Ich frage mich, ob die amerikanische Regierung vorhat, mich hier bis in Ewigkeit gefangen zu halten, falls sie kein Land findet, das mich aufnimmt. Ist das Gerechtigkeit?
Abu Bakr fällt ein, dass er irgendwann Geburtstag hat.
Ayub schmerzt der Rücken und verlangt einen Arzt. Als keiner kommt, stürzt er den Fernseher vom Gestell.
Einzelhaft.
Uiguren in den USA bieten an, ihre Landsleute bei sich aufzunehmen.
April 2006, in Tirana wartet der Botschafter der USA in Albanien dem Ministerpräsidenten auf, Sali Ram Berisha. Der, Regierungschef eines der ärmsten Flecken Europas, ist bereit, die fünf Uiguren ins Land zu lassen. Und Albanien wünscht, die USA verhälfen der südserbischen Provinz Kosovo, wo die Mehrheit albanisch ist, zur politischen Unabhängigkeit, und Amerika, außerdem, befördere Albaniens schnelle Aufnahme in den Nordatlantikpakt Nato.
Condoleezza Rice antwortet Ahmed nicht.
Am Vormittag des 1. Mai 2006 tritt ein Offizier in den Zwinger, endlich habe man ein Land gefunden, das bereit sei, sie aufzunehmen. Welches, dürfe er nicht sagen.
Abu Bakr, Adel, Ahmed, Akhdar und Ayub hoffen, es handle sich um Deutschland, um die Schweiz oder die Türkei.
Am Nachmittag spricht ein Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz den Namen aus, Albania.
Sie verstehen Almania.
Drei Tage später, nach vier Jahren auf Guantánamo Bay, reicht man den Männern neue bunte Kleider, Jeans, Hemden, Jacken, Schuhe, auch Zahnbürsten und Kämme, Made in China, zum Abendessen gibt es Fleisch. Der Leiter des Gefängnisses lässt ausrichten, er bitte um Entschuldigung.
Dann, gegen elf Uhr nachts, befiehlt einer die fünf Uiguren in eine Maschine der Luftwaffe, gefesselt hocken sie in ihren Sitzen, umzingelt von dreißig Soldaten, zwölf Stunden bis Albanien.
Seine Angst, den Chinesen überstellt zu werden, verliert Abu Bakr erst, als er am Morgen des 5. Mai 2006 europäische Gesichter erkennt, Mutter-Teresa-Flughafen, Tirana. Zwei albanische Beamte stehen bereit und schreiben Namen auf, dann winken sie die Uiguren in einen kleinen Bus und bringen sie nach Babru an den Rand der Stadt. In Babru ist eine alte Kaserne, ein paar niedrige gelbe Häuser, das National Center for Refugees, Qendra Kombetare per Azil kerkues, belagert von Zäunen, Mauern und Dreck, die Fenster vergittert, am hohen Metalltor steht ein Wärter, in seinem Gürtel eine Pistole, Frühstück von 08:30 bis 09:00, Mittagessen von 12:00 bis 13:00, Abendessen von 18:00 bis 19:00, Nachtruhe von 22:00 bis 05:00, drei Stunden Wasser am Tag.
Der Anwalt in Boston erfährt von der Freilassung seiner Klienten per E-Mail.
Zwei Tage später, 7. Mai 2006, reist Ministerpräsident Berisha nach Kroatien und trifft dort Dick Cheney, Vizepräsident der USA, der Berisha versichert, Albaniens Wunsch, Mitglied der Nato zu werden, habe er sich gut gemerkt. Berisha lobt, Albanien sei bereit, dafür jeden Preis zu bezahlen.
Die Uiguren, ohne Geld und Papiere, sitzen in der Kaserne an der Kante der Stadt und sehen fern, sie haben vier Zimmer, in einem schlafen Ayub und Akhdar, im andern Adel und Ahmed, im dritten Abu Bakr, der Älteste, achtunddreißig.
Ein Arzt prüft die Gesundheit der Männer, Abu Bakr, Adel, Ahmed, Akhdar und Ayub haben Blut der gleichen Gruppe, A.
Albanien schenkt jedem fünfzig Euro im Monat. Die Fahrt in die Stadt kostet acht, ein Anruf nach Hause zwanzig.
Sie rasieren sich wieder.
In einem Internetcafé am Skanderbergplatz drücken sie die Ziffer 9/11 in ein Suchprogramm, sehen zum ersten Mal die brennenden Türme des World Trade Center in New York, 11. September 2001.
Sie sitzen in der Kaserne und sehen fern, albanische Lieder, serbische Tänze, kroatische, mazedonische, griechische, italienische, Nachrichten, die sie nicht verstehen. Ein halbes Jahr lang, dreimal in der Woche, reist eine Lehrerin an und unterrichtet Albanisch, dann kommt sie nicht mehr, man habe ihr keinen Lohn bezahlt.
Spielst du Fußball?, fragen die Zwillinge am Telefon.
Dreimal sucht der chinesische Botschafter für Albanien den Ministerpräsidenten auf und bittet um die Auslieferung der fünf Uiguren. Albanien, lässt China wissen, verletze internationales Recht. China sagt den Besuch seines Außenministers in Tirana ab.
Sie warten und sehen fern, fahren am Freitag in die Stadt zum Gebet, sie gehen durch die Straßen, langsam und müde, die Hände
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