Von Fall zu Fall
Aufnähme ein bißchen bewegt worden ist. Vermutlich wäre das bei 1 / 250 Sekunde nicht bemerkbar gewesen. Dies ist mit ungefähr 1 / 100 Sekunde belichtet worden.«
»Meine Kusine hat die Aufnahme gemacht«, sagte sie. »Fotografieren ist ihr Hobby, und sie besitzt so eine Spiegelreflexkamera, von der Sie sprachen. Ich entsinne mich, daß sie einen Belichtungsmesser benutzte und erwähnte, sie wollte 1 / 100 Sekunde nehmen.«
Ich nickte.
»Ich finde es wundervoll, daß Sie das alles einfach so hersagen können.«
»Dieses Bild möchte ich jedenfalls mitnehmen«, entgegnete ich.
»Oh, das geht aber nicht.«
»Weshalb nicht?«
»Ich bin mit drauf.«
»Pfui!« sagte ich, indem ich ihre Hand beiseite schob. Sie sträubte sich ein wenig, doch nur zum Schein.
Auf dem Bild trug sie einen Bikini, und wahrhaftig nicht zu ihrem Nachteil!
»Ist das nicht gräßlich!« rief sie aus. »Wir haben das Bild eigentlich nur aus Ulk machen lassen.«
»Ich kann daran nichts Gräßliches finden«, erwiderte ich.
»Es zeigt...« — sie wandte den Blick ab — »... zuviel von mir.«
Ich beugte mich vor und studierte das Bild gründlich.
»Schließlich, Mr. Lam«, sagte sie verschämt, »wollen Sie ja meinen Mann suchen und nicht mich...! Ich bin ja hier, direkt neben Ihnen.«
Auch sie neigte sich jetzt vor, um das Foto wieder an sich zu nehmen. »Nein, wirklich, Mr. Lam, dies dürfen Sie nicht haben.«
»Seien Sie nicht albern«, entgegnete ich. »Das Bild brauche ich doch für berufliche Zwecke. Wenn Sie wollen, können Sie ja die eine Hälfte abschneiden, aber die mit Ihrem Mann nehme ich mit.«
»Tja... hm...«, erklärte sie nach einem Weilchen, »so einfach zerschneiden möchte ich das Bild doch nicht. Sie... Sie werden vorsichtig damit sein, ja?«
»Sehr, sehr vorsichtig«, antwortete ich.
»Ich muß mich dabei auf Ihr Taktgefühl verlassen können.«
»Aber ich sehe hier nichts, dessen Sie sich zu schämen hätten«, versicherte ich.
Sie lachte nervös und sagte: »Na, wenn das der Fall wäre, müßten Sie's auf dem Bild beinah sehen können. Wir haben nämlich dazu einen selbstgeschneiderten Bikini genommen und... Sie sehen ja, daß er, wo das Licht darauf fällt, beinahe durchsichtig ist.« Sie tippte mit dem Finger auf mehrere Stellen ihres Konterfeis.
Ich nickte und schob das Bild in die Tasche. »Gut. Und jetzt will ich ans Werk gehen.«
Sie schien jedoch durchaus noch nicht geneigt, das Gespräch mit mir zu beenden. »Bertha Cool erwähnte schon, Sie seien nicht der übliche robuste Typ, den man sich unter Detektiven vorstellt, hätten aber in vieler Beziehung erstaunliche Qualitäten«, sagte sie.
»Bertha trägt immer ein bißchen zu dick auf, wenn sie meine Dienste verkauft«, entgegnete ich. »Und verkaufen, das versteht sie ausgezeichnet.«
Daphne Beckley musterte mich etwas spöttisch. »Ich wette, es sind fünfundsiebzig Prozent«, stellte sie fest.
»Was für fünfundsiebzig Prozent?«
»Die Frauen, die sich Ihnen an den Hals werfen.«
»Viel zu hoch geschätzt«, wehrte ich bescheiden ab.
»Ich kann deren Gefühle sehr gut verstehen«, fuhr sie in verführerischem Ton fort. »Sie... Sie haben so etwas an sich... Vertrauen flößen Sie ein, Mr. Lam.«
»Schönen Dank«, sagte ich in bester Berufsmanier.
»Und Interesse erwecken Sie auch in besonderem Maße.«
»Nun«, entgegnete ich, »Sie wollen ja erfahren, ob Sie die verschmähte Frau eines über die Stränge schlagenden Gatten sind oder eine reiche Witwe, und ich sollte mich jetzt lieber beeilen, damit ich Ihnen bald sagen kann, woran Sie sind.«
»Aber so große Eile hat das ja nicht, wie?«
»Für mich doch«, sagte ich und öffnete die Wohnungstür.
5
Ich arbeite schon lange genug als Detektiv, um reine Zufälle keinesfalls zu unterschätzen.
Andererseits sah es mir denn doch zu wenig nach Zufall aus, daß zwei Personen am gleichen Tage verschwanden, daß sie beide an ihre Verwandten oder Bekannten Postkarten von derselben Tankstelle sandten und daß nachher Verwandte dieser beiden Personen in derselben Detektivagentur erschienen, um Ermittlungen zu veranlassen.
Ich packte einen Handkoffer, kletterte in unser Geschäftsauto und fuhr auf schnellstem Wege nach Carver City.
Es war eine ziemlich lange Strecke: über 170 Kilometer bis Bakersfield und dann noch einmal beinah ebenso viele über Straßen mit vielen Kurven und Steigungen. Aus der Hitze des Tages fuhr ich gewundene Bergstraßen neben rauschenden
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