Von Fall zu Fall
und auf eine Gelegenheit zur Mitfahrt wartete — einen Logenbruder. Er...«
»Ja, ich entsinne mich«, unterbrach Lennox.
»Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?«
»Das kann ich Ihnen sagen, wenn's nötig ist und Sie ein Recht auf die Auskunft haben«, erwiderte er.
»Ich bin — bitte, das muß ganz unter uns bleiben — Privatdetektiv. Ich möchte feststellen, was mit dem Mann geworden ist.«
»Na ja, ich kann Sie darüber aufklären«, sagte er. »Der Kerl kam mir sonderbar vor. Er sprach wie ein Gentleman, war aber gerade auf einer Kneiptour gewesen, das sah ich gleich. Er war nicht rasiert, hatte im vollen Zeug geschlafen, aber — zum Kuckuck — irgend etwas stimmte mit dem nicht.
Jedenfalls tauchte er hier auf, machte sich im Waschraum frisch und lungerte dann herum. Wir unterstützen ja solche Leute wirklich nicht bei ihrem Vorhaben. Wenn nämlich ein Kunde bei uns tankt und jemand ihn wegen Mitfahrt anspricht, mag der Kunde meistens nicht nein sagen. Im allgemeinen will aber eigentlich keiner einen Mitfahrer haben — ich jedenfalls würde nachts keinen Fremden mitnehmen. Es ist natürlich leichter, auf der Autobahn an so einem Burschen vorbeizuflitzen, als ihm an einer Tankstelle direkt ins Gesicht zu sagen, daß man in seinem Wagen keinen Platz für ihn hat.
Wenn also bei uns Leute herumlungern, um einen Platz in den bei uns tankenden Wagen zu organisieren, fordern wir sie ganz taktvoll auf, weiterzugehen, und wenn sie das nicht tun, rufen wir die Polizei an, die dann auch kommt, anscheinend zufällig, um etwas zu kontrollieren. Die greift sich den Mann und macht ihm klar, daß er wegen Landstreicherei verhaftet werden könnte. Das treibt ihn in die Enge, also marschiert er ein paar Kilometer weiter und versucht es da wieder.«
»Aber dieser Mann benahm sich anders, ja?«
»Er benahm sich anders, jawohl«, antwortete Lennox, »außerdem war er ein >Elch<. Er wandte sich als Logenbruder an mich und erzählte mir freiweg, was mit ihm los war. Er sei Quartalsäufer, nicht Gewohnheitstrinker, sagte er. Könne wochenlang auf Alkohol verzichten, aber plötzlich packe es ihn, und dann vertrinke er sein ganzes Geld. Auch wenn's alle sei, bleibe er meistens noch ein paar Tage in den Kneipen, um seine neuen Zechkumpane, für die er manches Glas bezahlte, zu Gegendiensten zu bewegen. Erst wenn sämtliche Mittel erschöpft seien, mäßige er sich nach und nach und merke auf einmal, daß er den Drang überwunden habe. Dann interessiere ihn der Alkohol überhaupt nicht mehr, dann wolle er nur nach Hause, wolle baden, sich sauber anziehen und sich anständig verhalten. Solange er seinen Katzenjammer habe, glaube er wirklich, daß er nie in seinem Leben wieder Durst auf Alkohol verspüren werde und zu trinken anfange.«
»Sie haben sich selbst seine Geschichte angehört?«
»Das habe ich.«
»Was wollte er denn von Ihnen?«
»Er besaß keinen einzigen Cent mehr und wollte bei uns warten, um einen Platz zu ergattern. Es war ihm gar nicht so wichtig, wohin der Wagen ihn bringen würde. Am liebsten wollte er nach Los Angeles, vor allem aber von der Landstraße weg.«
»Und was taten Sie?«
»Also hören Sie doch mal gut zu«, sagte Lennox. »Carlyle Kamp würde mich sofort entlassen, wenn er das wüßte. Ich sagte dem guten Mann: >Sie dürfen hier bei der Tankstelle keinen Fahrer ansprechen, aber wenn ich einen bemerke, der in Frage kommen kann, werde ich mal sondieren, ob er Sie vielleicht mitnimmt.<
Um Ihnen die Wahrheit zu sagen: Ich hatte gar nicht die Absicht, seinetwegen mit jemandem zu reden, der einen guten Wagen fuhr, sondern dachte an irgendeine alte, klapprige Karre, deren Fahrer vielleicht Gesellschaft suchte.
Zehn Minuten, nachdem der Mann gekommen war, hielt so ein alter Kasten bei uns, und ich fragte den Fahrer, ob er Gesellschaft haben wolle. Er möge mir das offen sagen. Er wollte aber keine und erklärte mir, er habe unterwegs schon immerzu den Anhaltern abgewinkt. So viele habe er überhaupt noch nicht gesehen.«
»Na, und dann?« fragte ich.
»Nun, wieder so ungefähr nach zehn Minuten fuhr einer vor, dessen Wagen äußerst luxuriös aussah. Überladen mit sämtlichen Kinkerlitzchen — ein prächtiges Fahrzeug, und der Mann, der drinsaß, fragte mich ganz unvermutet...«
»Was hatte der für ein Anliegen?« unterbrach ich Lennox, aufs äußerste gespannt.
»Fragte mich... Na, also direkt gefragt hat er ja nicht. Er erzählte mir, er habe noch einen langen Weg vor sich und sei zum
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