Von Feuer und Nacht
Frachter gestohlen hatte. Ihr Vater bemerkte den Stimmungswandel nicht. »Mindestens drei weitere Familien bringen Himmelsminen hierher.« Er öffnete die Arme dem unendlichen Wolkenmeer. »Golgen ist groß genug. Hier gibt es jede Menge Platz.«
Kellum stützte die Ellbogen aufs rote Geländer. Mit einem Blick zur Seite schlang er einen Arm um die Schultern seiner Tochter. »Nach der Zerstörung von Rendezvous kommen die Clans wieder zusammen. Habe ich dir von den Plänen für ein neues Handelszentrum auf Yreka erzählt? Alles streng geheim, nicht viel mehr als ein Schwarzmarktnetz, das die verwaisten Kolonien der Hanse umfasst. Aber es ist ein Anfang. Wir werden der Großen Gans eine lange Nase machen und nur mit den Leuten handeln, die wir mögen. Von mir aus können die Tiwi-Bastarde nicht recycelfähigen Abfall fressen.«
»Ja, Vater«, sagte Zhett und beschloss, nicht mehr an Fitzpatrick zu denken. »Da bin ich ganz deiner Meinung.«
61 JESS TAMBLYN
Jess und Cesca waren endlich miteinander allein, als sie die stürmische Welt Charybdis verließen und nach Plumas flogen. Das Wasser um sie herum war warm, und sie umarmten sich.
Zuerst verlor sich Jess in dem Wunder des einfachen physischen Kontakts, dem Gefühl eines anderen menschlichen Körpers, der Berührung einer Hand oder einer Schulter -wie sehr er das vermisst hatte! Aber die Freude war noch viel größer, denn der Kontakt betraf Cesca. Cesca.
Sie schwebten dicht beisammen, mehr als nur lebendig, und ihre Körper erinnerten sich aneinander. Haut traf auf vertraute Haut. Es prickelte in Jess' Knochen, in seinen Muskeln, in den Augen. Jahrelang hatte er von dem Moment geträumt, in dem er Cesca wieder berühren konnte. Jetzt war es so weit, und alles erschien ihm noch schöner und realer als in seinen Träumen.
Als sie sich nach so langer Zeit geliebt hatten, fühlte sich Jess durch und durch glücklich. Zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr er, wie es wirklich war, mit jemandem zusam men zu sein. Mit Cesca. Er ließ sich von diesem Empfinden so umarmen wie von Cesca.
Die elementaren Wasserwesen waren ständig in seinem Bewusstsein und in Cescas Selbst präsent, und sie nahmen jedes Detail dieser Erfahrung auf. Eine Stimme erklang in beiden Köpfen. Jetzt verstehen wir. Zuvor hatten deine Worte und Wünsche nicht ausreichend Bedeutung für uns. Wir sind dankbar für die neuen Informationen.
Jess lächelte. »Gern geschehen.« Er begriff nun: Mit jedem Kuss und jedem gemeinsamen Tropfen Feuchtigkeit war das Band zwischen ihnen dank der Wasserwesen fester geworden. Die Wentals hatten sie einander näher gebracht, als es Jess und Cesca allein möglich gewesen wäre.
Cesca schien ein wenig verlegen zu sein. »Wir hatten Publikum?«
»Ich sehe Verbündete und Gefährten in den Wentals, keine Voyeure. Denk daran, wie wir uns verändert haben. Sie sind jetzt Teil von uns.«
»Daran muss ich mich erst noch gewöhnen.« Sie kam etwas näher. »Aber ich akzeptiere die Umstände, im Austausch für dies...«
Endlich hatte er nicht mehr das Gefühl, Ross zu verraten. Wenn sein Bruder nicht von den Hydrogern getötet worden wäre, hätte er es nie gewagt, Cesca näher zu treten. Dann wäre seine Liebe unerfüllt geblieben. Aber jetzt leuchtete der Leitstern ruhig und beständig.
Als sie den Eismond erreichten, blickte Cesca durch die gewölbte Membran nach draußen. Das schimmernde Schiff landete auf der gefrorenen Oberfläche, nicht weit von den Anlagen der Wassermine entfernt. Deutlich konnte man die Bohrtürme sehen - und vierzehn große Wassertanker.
»Da sind sie«, sagte Jess. Mit Wental-Wasser gefüllt wurden die vierzehn Tanker zu überaus wirkungsvollen Waffen gegen die Droger. Sie mussten Freiwillige unter den Roa mern finden, die sie zu Gasriesen der Hydroger brachten und die Fracht dort in der Atmosphäre freisetzten. Die Wentals würden einen Gasriesen nach dem anderen zurückerobern.
Jess wusste, dass sich seine Onkel freuen würden, ihn wiederzusehen und ihm bei dieser neuen Herausforderung zu helfen. Nachdem er seine Mutter aus dem Eis geholt hatte, war er fortgeflogen, um Cesca zu retten. Jetzt konnte er ihr vielleicht ein richtiges Roamer-Begräbnis geben. Trauerfeiern gehörten zum Leben der Roamer. Cesca war zum letzten Mal beim Tod ihres Vaters nach Plumas gekommen, und davor hatte es Ross erwischt...
Jess nahm Cesca bei der Hand und zog sie durch die Außenhüllenmembran. An seiner Seite stand sie auf dem zerfurchten Eis, dem Vakuum
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