Von Feuer und Nacht
erstaunlich fest zu.
»Du bist meine Mutter? Ich hätte nie gedacht, einmal meiner Mutter zu begegnen.«
Nira versuchte ihren Argwohn zu überwinden. Dieser Junge war ihr Sohn, trotz seines väterlichen Erbes. Wie sehr sie Udru'h auch hasste: Rod'h war auch ihr Kind.
»Und dies ist Gale'nh.«
Nira sah den kleineren Jungen an und erkannte seine starken, stolzen Züge. »Ich ... erinnere mich an Adar Kori'nh.«
Der Knabe wirkte sehr zufrieden. »Mein Vater war ein Held. Und du auch, Mutter. Man lehrte uns, das Reich zu retten.«
Nira schluckte. »Das glauben einige Ildiraner.«
Die beiden anderen Töchter, die jüngsten von fünf Kindern, hießen Tamo'l und Muree'n. Obwohl sie die Jüngste war, überragte Muree'n schon zwei ihrer älteren Geschwister und offenbarte dadurch ihre Abstammung vom Wächter-Geschlecht. Die Kinder drängten nach vorn und wollten ihrer Mutter möglichst nahe sein. Nira spürte ihre Neugier, ihre Unschuld, und daraufhin begriff sie, dass sie diese Jungen und Mädchen nicht hassen konnte. Sie durfte ihnen die Umstände ihrer Geburt nicht zur Last legen.
»Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt, Mutter. Wir helfen dir dabei, diesen Ort zu verändern.«
»Es freut mich, euch alle kennenzulernen. Und ich danke dir, Osira'h.« Tränen glänzten in Niras Augen, und sie berührte ihre Tochter an der Wange. »Dafür, dass du mir gezeigt hast, was richtig ist, obwohl ich mich davor gefürchtet habe.«
63 OSIRA'H
Jetzt, da ihr Halbbruder Daro'h für die Splitter-Kolonie Dobro zuständig war, wusste Osira'h ganz genau, was es zu tun galt. Nur sie verstand im ganzen Ausmaß, was auf dem Spiel stand. Schwierige, aber notwendige Veränderungen mussten herbeigeführt werden.
Sie wollte diesen Leuten eine zweite Chance geben. Besser gesagt: die erste echte Chance. Sie wusste, dass es den Wünschen ihrer Mutter entsprach, und Nira stand jetzt neben ihr, steif und eingeschüchtert vor dem neuen jungen Designierten. Doch Osira'h wusste, dass sich ihr Halbbruder von Udru'h unterschied. Er befand sich noch nicht lange genug auf Dobro, um durch seine Pflichten abgehärtet zu sein. Osira'h war sicher, dass sie ihn überzeugen konnte.
Sie fühlte sich klein und doch ebenbürtig vor Daro'h. »Unser Onkel hat dir die Leitung dieser Kolonie übertragen.
Du bist jetzt für sie verantwortlich. Hast du dich gefragt, was du als Dobro-Designierter anders machen möchtest?«
»Anders? Die Zuchtexperimente sind nicht mehr notwendig, was wir dir verdanken, und deshalb haben sie aufgehört. Was soll sonst noch anders werden?« Daro'h schien wirklich verwirrt zu sein. Er wusste nicht, warum Osira'h um ein Gespräch mit ihm gebeten hatte, weshalb auch die grüne Priestern dabei zugegen war ... ihre Mutter.
Nira kämpfte noch immer gegen den Aufruhr in ihr an und blickte zum umzäunten Lager. Die Zuchtbaracken waren still und leer. Die Ildiraner des Mediziner-Geschlechts führten dort keine Fruchtbarkeitsuntersuchungen an den Frauen mehr durch, und sie entnahmen den Männern auch keine Spermaproben mehr. Osira'h erinnerte sich daran, Schreie und Stöhnen aus jenen dunklen Gebäuden gehört zu haben. Der Designierte Udru'h hatte Geräuschdämpfer aktiviert, sie in den Unterrichtsräumen behalten und ihr gesagt, sie sollte keinen Gedanken an die menschlichen Ge- fangenen vergeuden. Zu jener Zeit hatte es keinen Grund für sie gegeben, an ihm zu zweifeln, und deshalb hatte sie tatsächlich nicht mehr an die Menschen gedacht.
Nira wandte den Blick vom Zaun ab und sah Daro'h an. »Wenn die Experimente aufgehört haben ...«, sagte sie scharf. »Warum sind die Menschen im Lager noch immer gefangen?«
Osira'h sah ihre Mutter an und richtete dann einen strengen Blick auf Daro'h. »Hast du vor, ebenso wie Udru'h Geheimnisse zu hüten, oder willst du eine Zusammenarbeit von Menschen und Ildiranern anstreben?«
Als Daro'h sie musterte, fragte sich Osira'h, ob er eine junge Halbschwester in ihr sah oder ein Mischlingskind, das vielleicht das Ildiranische Reich gerettet hatte. »Warum sollte eine Zusammenarbeit mit den Menschen notwendig sein? Wofür brauchen wir sie jetzt noch?« Daro'h ließ den Blick übers Lager schweifen, über die hoffnungsvoll angelegten Gemüsegärten und die Menschen, die ihren täglichen Aufgaben nachgingen. »Wenn ihre Pflichten so schrecklich waren, sollten sie sich jetzt über das Ende des Zuchtprogramms freuen, oder? Was kann ich sonst noch tun?«
Osira'h seufzte und dachte daran, dass Daro'h keine
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