Von Feuer und Nacht
erfasste die früheren Gefangenen, als sie die Schreie jener hörten, die den Flammen zum Opfer fielen. So etwas hatten sie nicht gewollt. Männer und Frauen kamen zur Vernunft, eilten zu Türen und versuchten, in die brennenden Gebäude zu gelangen und hilflose Ildiraner zu retten.
Und dann waren die Wächter erschienen.
Die animalisch wirkenden Ildiraner hatten die Flammen und den Mob gesehen und waren mit kristallenen Schwertern über die Menschen hergefallen. Dutzende waren gestorben, die anderen in Panik geflohen. Nira hatte an ihre Mischlingskinder gedacht und war mit ihnen zur Residenz des Designierten Udru'h gelaufen, in der Hoffnung, dort sicher zu sein.
Sie war gerade rechtzeitig eingetroffen, um einen weiteren Mord zu verhindern. Vielleicht konnte sie jetzt dafür sorgen, dass sich dieser Wahnsinn nicht noch weiter ausbreitete.
Nira fühlte großen Kummer, als ihre Gruppe die Residenz des früheren Designierten verließ. Bei der Planung dieses Protests hatte sie nur daran gedacht, die Zuchtbaracken niederzubrennen und damit ein Zeichen zu setzen, um Daro'h mehr abzugewinnen als nur einige wenige Zugeständnisse. Die Zerstörung der ildiranischen Siedlung war nie ihre Absicht gewesen. Um sie herum setzte sich das Chaos fort. Die Flammen loderten höher, die Schreie wurden lauter - alles war vollkommen außer Kontrolle geraten. Und die ildiranischen Wächter töteten alle Menschen, denen sie begegneten.
Die Zuchtbaracken waren inzwischen eingestürzt, und Nira beobachtete, wie der Wind Funken aus den glühenden Aschehaufen über die Grenzen des Lagers hinaustrug - das Feuer erfasste auch das trockene Gras der Hügel. Die zornigen Menschen dachten nicht daran, das Inferno einzudäm- men, zogen zur separaten Residenz des neuen Designierten Daro'h und zerrten den verletzten Udru'h mit. Nira vermutete, dass er starke Schmerzen hatte, aber wenigstens war es ihr gelungen, sein Leben zu retten. Vorerst. Dank erwartete sie dafür nicht.
Ihre Kinder begleiteten sie und folgten Osira'h ebenso wie ihr. Sie waren dazu erzogen, alles für das Ildiranische Reich zu opfern. Mit einer seltsamen Mischung aus Furcht und Faszination beobachteten sie die Ereignisse.
Verzweifelte Ildiraner liefen aus den Gebäuden. Einige versuchten, das Feuer zu löschen, und andere bemühten sich, ihre in den Häusern gefangenen Artgenossen zu retten. Menschen hasteten hin und her. Für Niras kleine Gruppe gab es nur ein Ziel, und sie setzte den Weg entschlossen durch das Durcheinander fort.
Plötzlich griffen mit langen Kristallspeeren bewaffnete ildiranische Wächter an. Die Menschen setzten sich mit ihren landwirtschaftlichen Werkzeugen zur Wehr, mit Hacken und Spaten. Sie töteten zwei Wächter, doch den kris- tallenen Speeren fielen weitaus mehr zum Opfer. Nira drängte ihre Gruppe zur Eile und rief Daro'hs Namen.
Muskulöse Ildiraner bildeten einen Kordon vor der Residenz des neuen Designierten. Ihre Bewaffnung bestand aus Katanas - an Stäben befestigte scharfe Kristallklingen. Die Wächter holten gleichzeitig damit aus und warfen ihre Waffen mit tödlicher Präzision. Panik erfasste die Menschen, als sich Klingen in Brüste, Hälse und die Rücken jener bohrten, die sich zur Flucht wandten. Neue Schreie erklangen, kündeten von Schmerz und Tod. Nira begriff, dass die Wächter ihnen keine Möglichkeit geben würden, Daro'hs Haus zu betreten. Ihre Gedanken rasten, und sie traf eine rasche Entscheidung. Sie wechselte einen Blick mit Osira'h, die sofort verstand. Plötzlich standen das Mädchen und seine Mutter mit dem immer noch zit- ternden Udru'h vor den anderen und formten einen lebenden Schild.
»Wir müssen mit dem Designierten Daro'h sprechen!« Niras Stimme übertönte die Schreie und das Prasseln des Feuers. »Bringt ihn her!« Die Wächter traten vor und hoben ihre Waffen. Nira sah, dass Blut an vielen Klingen klebte.
»Ich bin die Tochter des Weisen Imperators!«, rief Osira'h. »Dies ist der frühere Designierte Udru'h. Ihr kennt uns. Meine Mutter war die Gefährtin des Erstdesignierten Jora'h. Hat er euch nicht befohlen, sie zu schützen?« Die anderen Mischlingskinder traten zu ihrer Mutter und der Schwester, die sie verehrten. Rod'h richtete einen besorgten Blick auf den verletzten Udru'h, sah dann nach vorn.
Ildiranische Soldaten befolgten Befehle, ohne sie infrage zu stellen, aber komplexe Situationen verunsicherten sie. Schließlich brachte Udru'h zwischen blutigen Lippen hervor: »Macht keine Dummheiten und
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