Von Feuer und Nacht
erweiterte sich Osira'hs Potenzial. Ihre Eltern fungierten als Verstärker, mit dem Thism auf der einen Seite und dem Telkontakt auf der anderen. Aus der Brücke Osira'h wurde ein Aquädukt für pure Kraft. Nira projizierte das Bewusstsein des Weltwalds.
Das gewaltige, mächtige Selbst der Verdani, bestehend aus den wissenden Weltbäumen auf vielen Welten, flutete durch den neuen Kanal. Osira'h ließ alles strömen. Die Hydroger konnten es nicht aufhalten.
Die Flut bestand aus den Gedanken der Verdani, aus Zorn und entsetzlichen Erinnerungen, jahrtausendealt. Sie überwältigte das Bewusstsein des Gesandten, sprang von dort aus zu den Kugelschiffen am Himmel. Es war, als hätte Osira'h hunderte von Bomben an Bord jener Schiffe versteckt und dann gezündet.
Gemeinsam näherten sich Osira'h, Jora'h und Nira der Druckkapsel. Der Hydroger in ihrem Innern kreischte, und seine Gestalt löste sich auf. Die mentale Rückkopplung tötete auch viele der quecksilberartigen Wesen an Bord der sechzig Kugelschiffe. Die Hydroger waren Teile einer kollek tiven Spezies, wie die Verdani und Wentals. Wenn die geistige Druckwelle lange genug andauerte, würde sie alle Hydroger umbringen, selbst die weit entfernten. Die korrosiven Gedanken der Bäume, ihrer Feinde, waren Gift für sie.
Die tödlichen Gedanken breiteten sich aus, strebten den Hydrogern über Mijistra entgegen. Die sechzig Kugelschiffe erbebten am Himmel von Ildira. Einige blaue Blitze zuckten ungezielt, und die meisten von ihnen rasten nur durch Wolken, ohne Schaden anzurichten. Kriegsschiffe der Solaren Marine stürzten dem Feind entgegen, um den Prismapalast zu verteidigen - doch mit den Kugelschiffen ging es bereits zu Ende.
Die Hydroger opferten sich, um die Verbindung zu unterbrechen und ihre Artgenossen überall im Spiralarm zu retten. Sie trennten sich geistig vom Gros ihres Volkes, damit sich die giftigen Gedanken nicht weiter ausbreiten konnten. Die Kugelschiffe gerieten außer Kontrolle und fielen wie diamantene Asteroiden. Sie rollten durch die Straßen von Mijistra, stürzten auf Hügel und explodierten über Wohnkomplexen. Sie zerstörten verzierte Türme und hohe Gebäude, wobei tausende den Tod fanden. Chaos suchte Mijistra heim.
Osira'h spürte im Thism, wie viele Ildiraner starben, aber noch deutlicher fühlte sie das Ende der Hydroger. Tränen strömten über die Wangen des Weisen Imperators, als er so viel Tod und Vernichtung ertrug. Doch er wusste auch, dass es die Befreiung seines Volkes bedeutete. Osira'h konnte nur hoffen, dass dies auch bei den übrigen Wachschiffen der Hydroger am Himmel anderer ildiranischer Welten geschah.
122 JESS TAMBLYN
Bevor er seine Schwester im Innern der Stadtsphäre erreichen konnte, wurde Jess mit einem Heer aus Ebenbildern seines Bruders Ross konfrontiert. Die Hydroger hätten kein wirkungsvolleres Bild gegen ihn einsetzen können. Jess kannte kein größeres Symbol für sein Versagen und den Verrat seines Herzens.
Woher wussten die Hydroger davon? Wie konnten sie von Ross erfahren haben?
Vor langer Zeit hatte Jess das Vertrauen seines Bruders ausgenutzt und sich in die Frau verliebt, die Ross hätte heiraten sollen. Aber jetzt trug Cesca Wentals in sich, wie er selbst, und Ross war dies.
Das Wental-Schiff schwebte bewegungslos, umgeben von zahllosen Ross-Kopien, die auf allen Seiten den Weg versperrten. Ross starrte Jess an.
Wie konnten die Hydroger davon wissen?
Jess hörte die Stimme der Wentals. Es bedeutet nichts. Sie kennen dich nicht.
Ross war eins der ersten Opfer der Hydroger gewesen, und anschließend hatten die Fremden sein Erscheinungsbild kopiert. Das war alles. Die Hydroger hatten einen Gesandten mit seiner Gestalt zur Erde geschickt und den Alten König Frederick getötet.
Jess' Vernunft hielt an dieser Logik fest, trotz der Zweifel in seinem Herzen. Zu oft hatte er sich von seinen Gefühlen hereinlegen lassen, zuletzt beim verdorbenen Wental, der seine Mutter zu einem dämonischen Leben wieder erweckt hatte. Und jetzt dies. Wie konnten die Hydroger verstehen, was Ross für den Mann bedeutete, der eine Wental-Invasion anführte?
Mit stahlharter Entschlossenheit rief Jess den zahlreichen Gesichtern seines Bruders zu: »Jene Frau war nicht meine Mutter, und du bist nicht mein Bruder!« Er klammerte sich an seiner Liebe zu Cesca und dem Hass auf die Hydroger fest. Tasia befand sich irgendwo in der Stadtsphäre, und von dieser nicht menschlichen Horde wollte er sich nicht aufhalten
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