Von Feuer und Nacht
dunklen Felsen von Charybdis sinken.
Sie muss selbst zum Wasser kommen. Du kannst ihr nicht helfen.
Jess kniete neben Cesca, und es zerriss ihm fast das Herz. Wie sollte er ohne diese Frau leben? Er stand am Rand des Riffes, zwischen den glatten Steinen und dem rauschenden Meer, verfluchte die Wentals und ihre lächerlichen Regeln. »Ihr bringt sie um!«
Es muss ganz ihre Entscheidung sein, allein ihr Handeln.
»Cesca, wenn du mich liebst, so bitte ich dich um einen letzten Gefallen. Trink dieses Wasser und lebe. Nimm die Wentals auf und werde wie ich.«
Nur einen Meter entfernt beruhigte sich der Ozean. Wentals manifestierten sich in den Wellen, und es entstanden Finger aus Wasser, die sich Cesca entgegenstreckten. »Wenn nicht, stirbst du.«
»Aber dann ... bin ich wie ... du?«
Tausend Stimmen flüsterten im Wind um sie herum.
»Dein Körper wird voller Wental-Energie sein, so wie meiner.« Jess brachte es nicht fertig, Cesca anzulügen. »Es bedeutet, dass du nie wieder andere Menschen berühren kannst, ohne ihnen zu schaden. Du wirst so isoliert sein wie ich. Es ist schrecklich, Cesca, aber ich weiß nicht, wie ich dich sonst retten soll.«
»Kann ich... dich berühren?«, brachte Cesca mühsam hervor.
Er hatte nicht beabsichtigt, sie mit dieser verlockenden Vorstellung zu beeinflussen. »Wir wären zwei von einer Art, Cesca. Getrennt vom Rest der Menschheit.«
»Aber zusammen.« Jetzt zögerte Cesca nicht mehr. Jess wich beiseite, damit sie zum Wasser kriechen konnte. »Der Leitstern... ist klar.«
Er versuchte, sie zu ermutigen. Nur noch einige Sekunden. Ein letzter Meter. Er spürte die Sorge der Wentals.
Jess schloss die Augen und stellte sich Cesca so vor, wie er sie geliebt hatte. Deutlich erinnerte er sich daran, wie sehr sie beide gewünscht hatten, endlich zusammen zu sein. Wie konnte eine solche Frau zu einer Gefahr werden? Die memorialen Bilder verdorbener Wentals erschienen ihm fremd und unwirklich. Das wird mit ihr nicht geschehen.
Cesca schöpfte eine Handvoll Wasser. Wie Quecksilber schimmernde Tropfen rannen zwischen ihren Fingern. Vorsichtig hob sie die gewölbte Hand zum Mund und trank von dem Wasser. Unmittelbar darauf schnappte sie nach Luft und erbebte.
Mit einem letzten Ruck schob sie sich nach vorn und fiel ins Wasser - es war zur einen Hälfte wie eine Taufe und zur anderen wie Ertrinken. Cesca verschwand in den Fluten.
19 RLINDA KETT
Unter der Eisdecke von Plumas nahmen Rlinda und BeBob an der Bestattung von Andrew Tamblyn teil. Zusammen mit ihren Freunden bereiteten die drei überlebenden Brüder ernst und verwirrt die Zeremonie vor. Die wieder belebte Frau aus dem Eis war zwar im Wasser verschwunden, aber Rlinda glaubte nicht eine Sekunde lang, dass damit die Normalität zurückkehrte.
Vielleicht spielte Karla Tamblyn bereits mit den Geschöpfen, die sie tief unten am Grund des Meeres gefunden hatte. Rlinda wusste inzwischen, dass exotische Geschöpfe in dem Wasser lebten, zum Beispiel singende Nematoden und glühende Quallen. Während der letzten drei Tage hatte ein Schatten über der Anlage der Roamer gelegen. Die Arbeiter schienen den Atem anzuhalten und darauf zu warten, dass irgendetwas geschah. Rlinda verfluchte die nervöse Wachsamkeit der Roamer, denn dadurch bekamen BeBob und sie keine Gelegenheit zur Flucht. Und zu versuchen, während eines Bestattungsrituals zu entkommen ... So was war schlechter Stil. Andererseits: Rlinda hatte es satt, die ganze Zeit über nur Däum chen zu drehen, und außerdem war es hier unten immerzu kalt. Kein Wunder, denn immerhin befand sich dieser Ort unter einem Himmel, der aus kilometerdickem Eis bestand, und am Rand eines eiskalten Meers. An Bord der Unersättlichen Neugier hatte Rlinda reichlich Decken und Heizgeräte, doch ihr geliebtes Schiff stand auf der Oberfläche dieser kleinen Welt, unerreichbar für sie ...
Caleb, Wynn und Tor in Tamblyn hatten Andrews Leiche in einen schwimmenden Sarg aus gepresster Zellulose gelegt und ihn mit getrocknetem Eistang umgeben. Caleb beugte sich über das Sargboot und goss eine dickflüssige, durchsichtige Flüssigkeit auf den Leichnam und das ihn umgebende brennbare Material. Rlinda nahm den stechenden chemischen Geruch von Brenngel wahr.
Wynn und Torin standen nebeneinander und konnten ihre Tränen kaum zurückhalten. Sie stießen sich an, forderten sich gegenseitig auf, als Erster zu sprechen. Schließlich sagte Caleb mit kratzender Stimme: »Dies ist die zweite Roamer-Bestattung
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