Von ganzem Herzen Emily (German Edition)
gern jemanden vorstellen.«
Wir haben die U-Bahn nach Camden genommen, und Sid bog mit mir in eine der kleinen Seitenstraßen in der Nähe des Camden Lock Market ein. Er hielt vor einem kleinen Laden an. Ich hatte nicht einmal genug Zeit, um zu registrieren, was für eine Sorte von Laden es überhaupt war, da zog er mich schon am Ärmel meines Mantels hinein.
Sobald ich einen Schritt durch die Tür getan hatte, roch ich es – den Geruch nach Holz und altem Papier –, und mein Herz klopfte wie verrückt, als wäre ich gerade mit meinem ersten richtigen Freund zusammengestoßen.
Ein Musikladen.
Ich blieb stehen und schaute mich einen Moment lang um. Er war natürlich nicht mit dem Geschäft in Soho zu vergleichen, in das mich mein Vater eines Tages mitgenommen hatte, um mir mein Cello zu kaufen. Dort waren alle Wände blütenweiß gewesen und die Cellos und Violinen wie Kunstwerke aufgereiht. Der Laden, in den Sid mich gebracht hatte, war winzig und mit Instrumenten vollgestopft. Überall an den Wänden lehnten Gitarren, und von der Decke hingen in dichten Reihen Geigen.
Sid stürmte voran, trommelte im Vorübergehen auf ein Paar Bongos und zwängte sich an einem kirschroten Schlagzeug vorbei.
»Hier«, sagte er mit einem stolzen Seufzer, als ich ihn ganz hinten im Laden wiederfand. »Das ist sie.«
Mein Herz klopfte schneller und beruhigte sich dann wieder, als ich zu seinen Füßen eine Gitarre sah. Er setzte sich auf einen Verstärker und nahm sie vorsichtig auf den Schoß, als handelte es sich um ein Neugeborenes.
»Das ist Nancy«, sagte er mit einem Grinsen. »Das Original. Sag Hallo.«
Ich verdrehte die Augen. »Welche Marke ist es denn?«
»Nicht es«, sagte er empört. »Sie, Rose. Sie.«
»Na gut. Wer ist sie?«
»Eine Martin D- 18 Acoustic Guitar.«
»Sie ist sehr hübsch.«
»Sie ist mehr als nur sehr hübsch.«
»Was ganz Besonderes?«
»Meine erste Liebe.«
»Aha, ich merk schon.« Ich schaute ihn an. »Was macht sie denn so besonders?«
Er fing an, ein paar Akkorde zu spielen, und ich brauchte eine Weile, aber als ich erkannte, was er da gerade spielte, deutete ich theatralisch mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn. »
The Man Who Sold the World!
Es ist Kurt Cobains Gitarre.«
Eine zierliche Frau mit weißblonden Haaren und leuchtend rot geschminkten Lippen tauchte hinter einem Kontrabass auf. Sie wollte schon losschimpfen, doch als sie Sid sah, wurde sie gleich freundlicher.
»Du kannst sie nicht haben, bevor du nicht gelernt hast, das ganze Lied zu spielen«, sagte sie trotzdem mit strenger Miene und stellte sich mit verschränkten Armen vor ihn hin. Sie hatte überall Tattoos – vor allem Blumen und Federn –, und als sie sich zu mir wandte, bemerkte ich, dass sie auf ihrem rechten Oberarm sogar ein nacktes Pin-up-Girl mit großen, runden Augen und einer Haartolle hatte.
»Ich bin Deb. Bist du Nancy?«, fragte sie mit einem breiten Lächeln.
Ich hätte schon daran gewöhnt sein sollen, aber ich verspürte immer noch jedes Mal einen Stich. Es blieb einfach demütigend.
»Das ist Rose«, sagte Sid, ohne von seiner Gitarre hochzublicken.
Ihre Augen leuchteten auf. »Oh, Rose! Die Cellistin, richtig?«
Mir wurde auf einmal ganz heiß. Meine Wangen mussten knallrot sein. »Ja.«
»Deine Haare gefallen mir.«
Ich fasste mit einer Hand danach. »War früher mal rot. Ich bin noch nicht wieder zum Färben gekommen.«
»Rosa ist auch cool.«
»Danke.«
»Komm mit«, sagte sie dann, drehte sich um und verschwand wieder hinter dem Kontrabass.
Sid stand auch auf, und wir folgten ihr noch ein Stück weiter in den Laden. Als ich merkte, worauf sie zusteuerte, blieb ich abrupt stehen und machte einen Schritt zurück. Sid schrie auf, als ich ihm auf die Zehen trat.
»Nein«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Sie hatten mich zu einem Cello gebracht.
Sid hatte mich am Arm genommen, deshalb konnte ich nicht noch einen Schritt zurückweichen. Jetzt klopfte mir das Herz nur noch stärker. »Bitte, Rose. Spiel uns was. Ich möchte dich so gern hören.«
»Nein. Nein. Ich kann nicht.«
»Du brauchst dich nicht zu genieren.«
»Darum geht es nicht«, sagte ich, zog meinen Arm weg und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich kann einfach nicht.«
»Das Cello steht schon fast ein Jahr hier«, sagte Deb. »Leute, die Cello spielen können, schneien nicht so oft hier rein.«
Ich blickte zu dem Cello, dann zu Sid. »Ich hab schon ewig nicht mehr gespielt.«
»Es ist wie
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