Von ganzem Herzen Emily (German Edition)
das ist die Mutter. Und die Smarties in Blau, das ist der Vater. Alle in Lila, das sind die Kinder –«
»Warum sind die lila Smarties die Kinder?«
»Weil Rosa und Blau Lila ergibt.«
»Nein, Rot und Blau ergibt Lila.«
»Aber bei den Smarties ergeben rosa Smarties und blaue Smarties lila Smarties.«
»’tschuldigung. Ich hab nicht kapiert, dass dahinter wirklich eine Logik steckt.«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Natürlich steckt dahinter eine Logik.«
»Okay. Und was sind die roten?«
»Der Hund.«
»Warum sind die roten Smarties der Hund?«
»Weil ich als Kind einen Hund namens Red hatte.«
»Alles klar. Und die braunen?«
»Das Haus.«
»Was sonst. Und die grünen?«
»Der Garten.«
Er dachte einen Moment nach. »Und dann sind die gelben die Sonne?«
»Ja! Kapierst du jetzt?« Ich tippte mit dem Finger gegen die Schläfe. »Logik!«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Logik dafür das richtige Wort ist, Ro.«
»Und deshalb bleiben nur die orangen übrig.« Ich steckte mir einen in den Mund. »Sie sind die Außenseiter. Außerdem schmecken sie anders. Das ist nämlich Orangenschokolade.«
»Lüge!«, sagte er. »Schon mal was von Großstadtmärchen gehört?«
»Ja, da stimm ich dir zu. Weil in Märchen nämlich immer Wahrheit steckt.«
»So ein Unsinn.« Er schüttelte den Kopf. »Märchen ist Märchen.«
»Ich werd’s dir beweisen. Schließ die Augen.«
Er stöhnte auf, schloss die Augen, und ich wählte einen blauen Smartie aus. Es kitzelte ihn, als ich damit seine Unterlippe berührte, und er zuckte zurück, aber dann ließ er ihn sich auf die Zunge legen. Er kaute ein Sekunde darauf herum, dann öffnete er die Augen und meinte grinsend: »Hab ich doch gesagt. Schmeckt nicht nach Orange.«
Ich tat verärgert. »Na gut. Dann noch einen Versuch.« Diesmal steckte ich ihm einen braunen Smartie in den Mund. Er reagierte genauso.
»Okay, okay«, meinte ich. »Aller guten Dinge sind drei!«
Diesmal gab ich ihm wirklich einen orangen Smartie. Kaum hatte er daraufgebissen, riss er die Augen auf und blickte mich entsetzt an. »Das ist Orangenschokolade!«
Ich klopfte mir mit der Hand auf den Schenkel. »Hab ich’s doch gesagt!«
»Gib mir noch einen.«
»Nein«, meinte ich. »Es ist nur noch einer übrig. Du kannst alle anderen Farben haben.«
»Ich bin für dich einen Baum hochgeklettert, Rose Glass. Gib mir noch einen.«
»Du bist den Baum für eine Dose Bier hochgeklettert!«
»Bitte.« Er klimperte mit seinen dichten schwarzen Wimpern, und da gab ich nach. Sid wirkte dankbar und zufrieden.
»Und? Bist du jetzt glücklich?«, schmollte ich. »Jetzt ist für mich keiner mehr übrig.«
»Hier«, sagte er und hielt einen rosa Smartie hoch.
Ich verlor beinahe das Gleichgewicht, weil ich so weit zurückwich. »Nein!«
»Komm schon, Ro. Tu’s für mich!«
»Nein. Ich kann doch nicht die Mutter essen!«
»Ich bin für dich einen Baum hochgeklettert, Rose Glass!«
»Das geht nicht!«, rief ich empört. »Du kannst damit nicht zwei Mal kommen!«
Er lachte und griff dann noch einen blauen Smartie heraus. »Okay«, sagte er und hielt sie beide hoch. »Wenn du den rosa Smartie isst und ich den blauen, dann sind wir Freunde. Richtige Freunde. Nicht nur, weil wir beide mit Nancy befreundet sind. Okay?«
»Okay.« Ich schloss die Augen, und als ich spürte, wie sein Daumen meine Unterlippe berührte, zuckte ich zwar zusammen, aber mein Herz sang dabei. Sang wie ein Vogel in einem Käfig.
[zurück]
D anach haben wir das dann regelmäßig gemacht. Es wurde fast zu so etwas wie einem gemeinsamen Ritual. Jeden Mittwochnachmittag sind wir zusammen auf den Friedhof, haben uns danach erst Pommes gekauft und dann noch etwas miteinander unternommen. Wir haben uns über Bücher in die Haare gekriegt oder uns bei Oxfam um Band-T-Shirts gestritten. Einmal sind wir sogar in ein Wettbüro an der Hauptstraße und haben bei dem 3 . 55 -Rennen in Wetherby auf unsere Favoriten gesetzt. Mein Pferd hat tatsächlich gewonnen, und ich war für den Rest des Nachmittags ziemlich unerträglich. Ich glaube, Sid wäre fast auf der Stelle nach Hause, wenn ich ihn nicht mit meinem Gewinn in ein indisches Restaurant eingeladen hätte.
Und dann war da noch der Mittwoch, an dem er sich mit einem feisten Grinsen im Gesicht zu mir wandte, als wir mit unseren Pommes-Tüten aus dem Imbiss kamen. »Ich weiß, was wir heute machen. Komm mit.«
Ich reagierte skeptisch. »Was denn?«
»Ich möchte dir
Weitere Kostenlose Bücher