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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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Glass weiterzuleben?«
    Ich starrte sie verwirrt an. »Aber Rose war keine Person, sie war eine Verkleidung.«
    »Wirklich? War sie das?«
    Ich schloss die Augen und stöhnte. »Bitte hören Sie damit auf.«
    »Womit soll ich aufhören, Emily?«
    »Damit.« Ich machte eine Handbewegung, die den ganzen Raum umfasste. »Damit, was auch immer Sie hier eigentlich tun.«
    »Was tu ich denn hier deiner Meinung nach, Emily?«
    »Können Sie ein einziges Mal einfach nur etwas sagen?«
    »Was denn sagen, Emily?«
    »Irgendwas. Irgendwas, was keine Frage ist.«
    Wir schauten einander einen langen Moment, ohne zu blinzeln, an, dann nickte sie.
    »Warum hast du Juliet nicht getötet?«
    Ich sprang mit einem Aufschrei aus meinem Stuhl hoch. »Warum hören Sie nie zu, was ich sage?«
    Sie schaute mich wieder nur an, deshalb stieß ich den Stuhl um. Er landete mit einem Knall auf dem Boden, woraufhin eine Pflegerin in das Zimmer stürzte. Doktor Gilyard wandte ihre Augen nicht von mir und hob nur die Hand hoch, bis die Pflegerin wieder ging.
    »Hast du sie gerngehabt, Emily? Hast du es deswegen nicht getan?«
    »Nein, ich hab sie gehasst!«, stieß ich hervor und ballte die Fäuste.
    »Glaubst du, ihr hättet Freundinnen werden können, wenn das alles nicht geschehen wäre?«
    »Hören Sie auf! Bitte, hören Sie auf!«
    Mein Herz schlug so rasend schnell, dass ich mich schon ganz benommen fühlte. Ich schnappte nach Luft, wieder und wieder, bis ich merkte, dass ich nichts dagegen tun konnte. Deshalb wehrte ich mich schließlich nicht mehr, sondern ließ das Gefühl einfach durch mich hindurchrauschen, und es war eine solche Erleichterung, dass ich lächelte. Denn eigentlich mag ich es ja, dieses Gefühl der Wut. Ich mag es, wenn ich es in mir fühle: tief und wild und unerreichbar. Wenn ich maßlos wütend bin, reagiere nicht mehr ich, sondern es ist mein Körper. Ich kann es nicht mehr stoppen. Ich muss es einfach seinen Lauf nehmen lassen, wie wenn man Fieber hat.
    »Ihr habt ganz offensichtlich viel gemeinsam, Juliet und du«, sagte Doktor Gilyard. Und in diesem Moment fingen meine Hände an zu zucken. Ich musste irgendetwas umstoßen, auf den Boden werfen, zertrümmern. Aber da war nichts, kein Blumentopf auf dem Fensterbrett, kein Behälter mit Stiften auf dem Schreibtisch, kein gerahmtes Hochzeitsfoto, das man durch das Zimmer hätte schleudern können. Also ging ich zum Regal und begann, die Bücher herauszuziehen. Eines nach dem anderen klatschten sie vor meinen Füßen auf den Boden.
    Als das letzte Buch aus dem Regal auf dem Haufen gelandet war, hatte sich meine Wut gelegt. Vorbei. Keuchend stand ich da und hatte das Gefühl, mich gleich an meinem eigenen Atem zu verschlucken und zu sterben. Ich musste mich an einem der Regalbretter festhalten, um nicht umzukippen.
    Nach ein, zwei Minuten schloss ich die Augen und lehnte mich erschöpft gegen das Regal. »Sie machen das gern, oder?«
    »Was mache ich gern, Emily?«
    »Ziehen und zupfen und zerren«, sagte ich immer noch keuchend. »Bis ich anfange, mich aufzulösen.«
    Daraufhin sagte sie für eine lange Zeit nichts, und schließlich drehte ich mich zu ihr um. Mein Herz klopfte immer noch so heftig, als hätte jemand es getreten. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    Ich hatte gehofft, das würde sie etwas aus dem Konzept bringen. Aber wahrscheinlich fragen sie das Patienten die ganze Zeit, denn sie zuckte nicht mit der Wimper. »Du weißt meinen Namen, Emily.«
    »Doktor Gilyard ist kein Name.«
    »So will ich eben von dir angeredet werden, Emily.«
    »Das ist nicht fair.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich soll Ihnen alles erzählen. Dinge, die ich niemandem erzählen will, Dinge, die ich nicht gern laut ausspreche, und Sie sagen mir noch nicht mal Ihren Vornamen.«
    Sie nickte, aber sie antwortete nichts. Es gab keine Entschuldigung. Keine Erklärung. Danach war es so still, dass ich das Gemurmel des Fernsehers im Fernsehzimmer hören konnte, und mir krampfte sich das Herz zusammen. Ich weiß nicht, warum. Hier drinnen ist es sonst nie so still. Immer hört man jemanden rufen. Lachen. Weinen. Schlüsselbunde klappern. Türen werden geöffnet und wieder zugeschlagen. Und dann gibt es Schritte, immer gibt es Schritte, vor und zurück, vor und zurück.
    »Sie tragen keinen Ehering«, sagte ich, als ob sie das nicht selber wüsste.
    Sie schüttelte den Kopf. Ich konnte den Werbespot im Fernsehen hören. Für Waschpulver. Vielleicht auch Flüssigwaschmittel. Irgendwas, das 99

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