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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Byrne
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mit Radfahren, Ro.«
    »Ja, aber ich fühle mich eingerostet. Es wird fürchterlich klingen.«
    »Ich kann gerade mal die Eingangsakkorde von
The Man Who Sold the World
und ein kurzes Stück aus
Wonderwall
. Vor mir brauchst du dich bestimmt nicht zu schämen.«
    Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Und davon hast du Hornhaut an den Fingern?«
    »Ich bin eben sehr langsam«, sagte er mit einem Lächeln, dass mir davon ganz weich in den Knien wurde. Ich gab mich geschlagen und trat zu dem Cello. Ich musste erst einmal die Saiten halbwegs stimmen.
    Als ich mich auf den Plastikhocker setzte, den Deb in die Mitte des Ladens gestellt hatte, spürte ich, wie mein Körper automatisch die richtige Haltung einnahm. Ich stellte das Cello zwischen meine Knie. Der Stachel bohrte sich in den Teppich. Als ich mit der linken Hand den Hals umfasste, fühlte es sich seltsam an, schwer und hohl, beides in einem. Ich merkte, wie aufgeregt ich war.
    Natürlich war dieses Instrument bei Weitem nicht so wertvoll wie das Cello, das mein Vater mir gekauft hatte, das war mir von Anfang an klar. Aber trotzdem – Cello war Cello. Ich würde nach so langer Zeit wieder einmal spielen. Als ich mit dem Bogen das erste Mal über die Saiten fuhr, hörte ich, dass es einen erstaunlich guten Klang hatte. Ich musste erst einmal innehalten und tief Luft holen.
    Als ich kurz hochblickte, sah ich, dass Sid mich wie gebannt anschaute. Mein Herz schlug noch schneller. Wieder fuhr ich mit dem Bogen über die Saiten und spürte die vertraute Schwingung durch meinen Körper ziehen. Wieder und wieder strich ich über die Saiten, griff mit der linken Hand verschiedene Akkorde und stimmte dazwischen mit den Feinstimmern die einzelnen Saiten nach, so lange, bis das Cello allmählich zu singen begann. Ich fing zu spielen an. Nicht großartig, manchmal wollten die Finger und der Bogen noch nicht so recht, aber ich legte den Kopf zurück und schloss die Augen – und ließ mich fallen.
    Meine Finger bewegten sich wie von selbst, der Bogen strich über die Saiten, und die Musik umhüllte mich. Ich merkte erst gar nicht, was ich spielte, doch auf einmal fühlte ich mich ins Musikzimmer von St. Jude’s zurückversetzt, wo ich wochenlang immer wieder und wieder und wieder dieselben Takte geübt hatte, für das Konzert in der Royal Albert Hall. Diese Emily sollte es nie geben, die Emily, die als Cellistin mit dem National Youth Orchestra of Great Britain auftrat. Aber ein paar Minuten lang, in dem Laden in der Nähe des Camden Lock Market, war ich sie.
    Als ich aufhörte, schaute Sid mich immer noch wie gebannt an, seine Lippen waren leicht geöffnet.
    Dann lächelte er mich an, und ich lächelte zurück. Ich glaube, ich hab mich noch nie so glücklich gefühlt. Es war der schönste, reinste, unschuldigste Moment seit langer, langer Zeit. Ich musste schnell wegschauen, ein solches Lächeln spürte ich auf meinem Gesicht. Ich war nur noch ein einziges Lächeln. Wenn ich es jetzt versucht hätte, da war ich mir sicher, dann hätte ich fliegen können. Ich bräuchte nur einen großen Sprung zu machen und die Arme hochzustrecken, dann würde ich in den Himmel hochfahren und spüren, wie die Wolken meine Wangen streiften.
    Ich weiß, was die Leute über mich sagen und über das, was ich getan habe. Ich hab es mir selber immer wieder eingeredet. Dass ich Sid nur benutzt habe, um Juliet so hart wie möglich zu treffen. Aber das ist nicht wahr. Nicht im Grunde meines Herzens. Wenn es so gewesen wäre, dann wäre ich jetzt vielleicht nicht hier, in diesem winzigen Raum mit Gitterstäben vor dem Fenster und einer verwischten Kreidelinie auf dem Boden. Denn so hab ich mich bei ihm gefühlt. Als könnte ich fliegen, als könnte ich alles tun – egal, was. Das macht die Liebe mit einem. Man will für jemanden ein guter Mensch sein, die beste Person, zu der man fähig ist. Manchmal denke ich, das alles – das Irresein in meinem Kopf – würde vielleicht verschwinden und ich wäre geheilt, wenn ich einfach immer dieses Mädchen sein könnte.
    Das Mädchen, das ich gewesen bin, wenn ich mit ihm zusammen war.

[zurück]
     
     
     
    H ast du jemals daran gedacht, nur noch Rose zu sein?«, fragte Doktor Gilyard mich heute Vormittag.
    Ich blickte sie an, und mir klopfte das Herz plötzlich bis zum Hals. »Was meinen Sie damit?«
    »Hast du jemals daran gedacht, Emily ganz hinter dir zurückzulassen, so, wie aus Juliet endgültig Nancy geworden war, und einfach als Rose

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