Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
Vom Netzwerk:
herauszubekommen, ob er bemerkt hatte, dass ich ihn gesehen hatte.
    ***
    Während ich vor den Trümmern meiner Beziehung davonradelte, konnte ich kaum etwas sehen, weil mir die Tränen nur so die Wangen herunterliefen. Ich weinte nicht im aktiven Sinne. Ich fuhr nur auf meinem Fahrrad, und die Tränen liefen, füllten meine Augen und verwischten alles.
    Ich dachte an all den Scheiß, den ich ertragen musste. Die ganze Zeit hätte ich mit ihm Schluss machen sollen und habe es nicht getan. Hier stand ich nun und hatte keine andere Wahl.
    Ich fragte mich, wie lange er sich schon mit ihr traf … und ob er noch andere gehabt hatte … ob er zu ihnen netter war als zu mir. Ich unterdrückte noch ein paar Tränen und sah, dass jemand an die Wand gesprüht hatte:
    Gott ist tot
    Nietzsche 1883
    Na großartig: Mein Freund, das Arschloch, ging fremd, ich wurde nicht befördert, meine Chefin hatte mein geistiges Eigentum gestohlen, meine Kreditkarten-Schulden waren höher als der Haschkonsum meines ständig bekifften Hausmeisters, meine Familie behandelte mich wie ein Hund einen Hydranten … und Gott war offensichtlich seit 124 Jahren tot. Sah ganz danach aus, dass das kein guter Tag war. Gar nicht gut.
    Und dann – flog ich.
    Ich flog, ich schwebte dahin, völlig frei – aber nur so lange, wie ein menschlicher Körper vier Meter durch die Luft über eine Motorhaube segelt, bevor er, Kopf und Schulter zuerst, auf der Straße zusammensackt.
    Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich erinnere mich an ein lautes Brummen und an ein Gefühl, als würde ein Donner versuchen, sich seinen Weg den Rücken hochzubahnen, um durch mein Ohr herauszukommen.
    Jemand sagte ungefähr sechsmal sehr schnell: »Oh, mein Gott!«
    Ich hielt meine Augen geschlossen, um den Donner daran zu hindern, herauszuströmen, aber ich nahm trotzdem einen Schatten wahr, der das Licht abblockte. Ich hatte das Gefühl, dass mein halbes Gesicht mit Schweiß bedeckt war, deshalb streckte ich die Zunge heraus, um ihn abzulecken. Dabei stellte ich fest, dass es Blut war. Ich war nicht in der Lage, meinen Verstand auf das zu lenken, was passiert war.
    Ich klammerte mich an Gedanken, verschiedene Personen tauchten in meinem Kopf auf, Kurt, Lydia, Dirk, Samantha, der Radlerhosen-Typ, alle glitten sie durch meine Gedanken wie eingefettete Schweine, dann kamen die, die mir näherstanden, meine Mom, Todd, Cat, aber auch sie entglitten mir, und ich hatte plötzlich das Gefühl, als würde ich ersticken.
    Die Stimmen sagten verschiedene Dinge. »Ist sie okay? Wer ist sie? Haben Sie es gesehen? Hat es irgendjemand gesehen?« Sie schwebten über mir, und ich hörte wieder: »Wer ist sie?« Ich hörte sie sprechen, und ich hätte ihnen meinen Namen sagen können, aber wozu? Jordan Landau. Wer war das überhaupt? Niemand wollte
ich
sein.
    Es wurde dunkler, aber ich kam dem Tod nicht näher – es waren nur Schatten, Umrisse. Durch die Schlitze meiner Lider konnte ich nur sehr wenig sehen.
    Eines schien sicher: Irgendwo über mir war ein Engel.
    »Bist du okay?«, fragte der Engel mit Panik in seinem süßen Gesicht.
    Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und merkte, wie mir die Haare im Gesicht klebten.
    »Nein, nein, n – ich …
nicht
okay«, sagte ich, bevor sich alles um mich herum immer schneller und schneller drehte und ich unaufhaltsam dahin trieb. »Ich habe solche …«
    »Schmerzen?«, fragte er.
    »Nein danke«, antwortete ich, »davon hatte ich genug.«

9. Die zweite Chance
    Ich hörte das Heulen des Krankenwagens und dachte kurz, dass es so eine Art Lockruf war, der versuchte mich zu erreichen. Oder vielleicht sagte es auch nur jedem anderen, dass er aus dem Weg gehen sollte. Als die Sanitäter ankamen, hörte ich einen von ihnen sagen, man sollte mich stabilisieren. Sie drehten mich herum und begannen meine Kleider aufzuschneiden, um zu sehen, ob ich irgendwo blutete. Ich verlor abwechselnd das Bewusstsein und kam wieder zu mir, manche Dinge wurden in den Vordergrund gezoomt, erschreckten mich über die Maßen, wurden dann unscharf und lösten sich vor meinen Augen auf. Ich hatte plötzlich eine Halskrause um meinen Hals. Ich erinnere mich, dass meine Stirn an einer Platte festgeklebt war, was mich beängstigte. Jemand hörte nicht auf zu sagen: »Bleiben Sie wach, bleiben Sie bei mir.«
    Ich hörte zufällig, wie der andere Typ am Telefon mit der Aufnahmeschwester sprach. Er sagte, ich sei Anfang zwanzig und würde 61 Kilo wiegen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher