Von jetzt auf gleich
finden, während diese hier wieder zur Schule geht und lernt, wie man liebt.
Alles, was ich wusste, war, dass ich keine Lust mehr hatte, mir dieses belanglose Gerede anzuhören und den krankhaften Egoismus dieser Menschen zu ertragen. Ich wollte nicht mit ihnen verwandt sein. Ich wollte sie nicht kennen. All diese Leute um mich herum, und nicht eine einzige schöne Erinnerung an sie. Ich wünschte mir, ich wäre irgendwo anders aufgewacht.
Oder als jemand anderes.
»Jordan?«, sagte meine Mutter wieder. Und dann hatte ich es. Ich konnte das alles verschwinden lassen. Ich konnte im wirklichen Leben das tun, was ich bei der Rollenspiel-Übung mit Cat nicht geschafft hatte.
Ich war dabei, die Vorstellung von einem Leben zu beginnen. Alles, was ich brauchte, war ein Neuanfang.
Ich blinzelte ein paar Mal und schaute zu meiner Mutter auf. »Hallo«, sagte ich in einem verwirrten und unschuldigen Ton. »Kenne ich Sie?«
Meine Mutter zögerte, als hätte sie nicht verstanden, was ich sie gefragt hatte.
»Jordan? Süße, du bist wach.«
Ich sah sie an. »Ja«, sagte ich. »Aber wer sind Sie?«
Im Hintergrund hörte Sam auf, an ihren Haaren zu drehen, und drehte sich langsam, um mich anzusehen. »Was hat sie gerade gesagt?«
Ich schaute zwischen meiner Mutter, Sam und meinem Stiefvater hin und her. Ich ließ den Blick auf Walter ruhen. »Ich …« Ich ließ meinen Mund offen und schaute verängstigt. »Was mache ich hier?«
»Vielleicht hört sie damit auf, wenn wir ihr eine knallen«, sagte Sam und trat vor, um einen besseren Angriffswinkel zu haben.
Walter hob die Arme. »Hört jetzt auf«, sagte er böse. »Niemand macht irgendetwas, bevor ich nicht zurück bin. Ich gehe und hole den Arzt.«
Sie starrten mich alle an, und ich starrte so teilnahmslos ich konnte zurück.
***
Nachdem ich die völlige Unkenntnis von jedem im Raum, allem, was passiert ist, meinem Arbeitsplatz, meinem Zuhause und auch den profansten Dingen in meinem Leben vorgetäuscht hatte, beugte sich der Arzt zu mir rüber. Ich antwortete langsam und blieb ruhig.
»Jordan?«, sagte er.
Ich ließ meine Augen kreisen, so als hätte er zu meiner Mutter, meiner Schwester oder der Krankenschwester gesprochen, die mich dann fragend ansahen. Der Arzt atmete tief ein und versuchte mich einzuschätzen. Da es keinen Grund gab anzunehmen, ich würde etwas vortäuschen, und auch keine größeren Kopfverletzungen festgestellt worden waren, erklärte er meiner Familie, dass meine Amnesie möglicherweise eine vorübergehende Schock-Reaktion auf den Unfall war.
Ich konnte es nicht glauben. Sie kauften es mir ab.
Als ich das letzte Mal versucht hatte, zu schauspielern, war ich sieben Jahre alt und spielte in einem Schulstück einen Baum. Ich hatte keinen Text, aber alle sagten, ich wäre sehr überzeugend gewesen. Jetzt, all die Jahre später, stellte sich heraus, dass ich dieses versteckte Talent hatte, eine großäugige Unschuldige ohne jedes Erinnerungsvermögen zu spielen. Wer hätte das gedacht? Alles, was ich zu tun hatte, war vorzugeben, dass ich nicht wusste, wer ich war und wer die Leute um mich herum waren, und ich war frei. Kinderspiel. Warum ist vor mir noch niemand auf die Idee gekommen? Oder vielleicht doch? Was, wenn jeder, der unter Amnesie litt, es einfach vortäuschte, um die dringend benötigte Auszeit in seinem Leben zu nehmen?
Meine Familie schaute betroffen, aber nach allem, was ich wusste, hätten sie es ebenso gut auch spielen können. Vielleicht hat ja unsere ganze Familie das Talent und weiß es gar nicht. Der Arzt erklärte ihnen, dass man einen Spezialisten hinzuziehen wollte. Mein Stiefvater runzelte die Stirn, als er das hörte. Meine Mutter ging zu ihm und fing an, zwischen seinen Augenbrauen zu reiben, damit er aufhörte. Sie war die Falten-Polizei; wenn jemand in ihrer Anwesenheit die Stirn runzelte, setzte sie dem sofort ein Ende.
Samantha kam rüber zu meiner Bettkante und starrte mich an. Ich starrte zurück. »Du erinnerst dich wirklich an gar nichts?«, fragte sie.
»Ich erinnere mich, dass ich ein Bett habe, aber ich weiß nicht, wo«, antwortete ich entschuldigend.
»Ich bin deine Schwester«, erklärte Samantha mit Singsang in der Stimme, so als wäre ich ein Idiot.
Ich schaute erst sie und dann meine Mutter an. »Ich mag sie«, sagte ich lächelnd zu meiner Mutter, »sie scheint sehr nett zu sein.«
»Oh Gott«, sagte mein Stiefvater schnell und echt beunruhigt, »sie erinnert sich ja wirklich an
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