Von jetzt auf gleich
Stimme.
»Nichts Belastendes«, sagte Sam, während sie in ihren Prada-Rucksack griff und einen nagelneuen iPod herausholte, den meine Mutter ihr sicher am Vortag gekauft hatte, um ihre Tochter zu trösten … die ohne Schädelbruch und Amnesie. Sie begann durch die Bilder zu scrollen und zeigte sie mir.
»Erinnerst du dich daran? Wir waren in der Sommerschule. Ich war das beliebteste Mädchen, du hattest fast keine Freunde. Und du durftest mit meinen Freunden zusammen sein.«
»Nein, daran erinnere ich mich nicht«, sagte ich. »Bin ich das? Mensch … und wer ist dieses pummelige Ding da neben mir?«
»Ich war nicht pummelig«, widersprach sie. »Das Shirt war extra groß, es hing lustig an mir herunter.«
Und damit schnappte sie mir den iPod weg und scrollte weiter zu einem anderen Foto. »Was ist mit dem? Das war dein Uni-Abschlussball, und du hattest eine Allergie. Oh Gott, du sahst schrecklich aus, und du wolltest eigentlich gar nicht hingehen, absagen aber auch nicht. Und dann ist deine Verabredung noch nicht mal aufgetaucht. Erinnerst du dich? Das bist du in deinem Kleid, während du auf ihn wartest. Du musst dich daran erinnern.«
Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte mild. Es war so fürsorglich von ihr, meinem Gedächtnis mit den traumatischsten Erlebnissen meiner schrecklichen Vergangenheit auf die Sprünge helfen zu wollen.
Sie scrollte zu dem nächsten Bild, starrte es an und versuchte dann urplötzlich, zum nächsten zu springen.
»Was ist das für eins?«, piepste ich.
»Das wird keine Erinnerungen bei dir wachrufen«, sagte sie. Ich vermutete, dass ich genau wusste, welches Foto sie mir vorenthielt.
Dann sah ich Dirk. Er stand in der Tür und schaute mich an. Wahrscheinlich erwartete er eine Reaktion auf sein Erscheinen. Ich lächelte ihn schwach an und zog meine Augenbrauen ein wenig hoch. Er kam herein.
»Hi«, sagte er, küsste meine Mutter auf die Wange und kam dann zu mir. »Erinnerst du dich an mich?«, fragte er. Ich versuchte so auszusehen, als würde ich scharf nachdenken. Ich runzelte sogar meine Stirn, was meine Mutter nicht gerne sah.
»Nein«, sagte ich. Süß … unschuldig … leer. »Tut mir leid. Nein.«
»Ich war dein Freund. Wir sind ungefähr zwei Jahre miteinander gegangen.«
»Echt?«, sagte ich, und dann wurde mir klar, dass er die Vergangenheit benutzt hatte. Vielleicht hatte er mich doch bei
Alice’s Tea Cup
gesehen. »Du sagst, du warst mein Freund.« Ein süßes Lächeln. »Haben wir Schluss gemacht?«
»Nein«, schoss er mit Lichtgeschwindigkeit zurück. »Ich meine … du hast total auf mich gestanden.«
»Total? Und hast du total auf mich gestanden?«, fragte ich mit hoffnungsvoller Stimme.
»Na ja«, murmelte er, »ja. Sicher.« Falsch. Die richtige Antwort wäre gewesen: ›Nein, ich habe dich wie Scheiße behandelt, und ich bin fremdgegangen‹, aber danke, dass du mir was vormachst.
»Mensch, es tut mir so leid, dass ich mich nicht an dich erinnern kann. Aber ich bin sicher, dass das alles wiederkommt.«
Er sah verwirrt und ein bisschen deprimiert aus. Ich wette, er dachte, dass ich mich selbst nach einer Kopfverletzung und schwerem Gedächtnisverlust an ihn erinnern müsste.
»Gut, ich werde dich mit zu mir nehmen, wenn du hier rauskommst, das wird deiner Erinnerung schon auf die Sprünge helfen. Wir haben viele schöne Stunden dort verbracht.«
Und in diesem unangenehmen Moment, Sam grübelte gerade über die »schönen Stunden« nach, sah ich meine Chance, mir den iPod zu schnappen, um zu sehen, welches Bild sie mir partout nicht zeigen wollte. Bingo. Ich hatte einen langen Blick darauf geworfen und musste ein Lachen unterdrücken, bevor sie bemerkte, was ich getan hatte.
Da saß sie, die Arme um und die Lippen auf Bo Caldwell, meinem damaligen Freund, den meine entzückende Schwester mir ausspannen wollte und damit auch Erfolg hatte.
Die Beziehung dauerte zwei Wochen, in denen sie ihn dazu brachte, mich zu hintergehen, und ganze vier Tage später fand ich es heraus. Die Faszination ließ nach. Sie ließ Bo fallen – vielleicht hatte sie erkannt, dass er, wenn er sich mit mir begnügt hatte, kein guter Fang war –, und ging zu dem Freund von jemand anderem, der zumindest altersmäßig viel besser zu ihr passte. Sie hütete dieses Foto wie eine Trophäe. Es war der erste Beweis für ihren bösen Sieg. Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich die Erinnerung für mich behalten und das Bild gelöscht: Ihr Haar war mit
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