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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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gewaltsam zurück. Ich meine, mein Nacken bewegt sich nur in zwei Richtungen und er hatte ihn bereits zu beiden Seiten gerissen, also musste ich eine Grenze setzen. Ich muss wohl nicht betonen, dass er über meine Abwehr ein bisschen erschrocken war.
    »Ich wollte nur an die Heizung … «, sagte er, als würde er mit einer Verrückten sprechen. »Es ist ein bisschen kalt.« Da waren die Feindseligkeit und die Demenz, die mein Arzt vermisst hatte. Ich war sicher, dass meine Mutter das dachte.
    »Ich dachte, Sie würden wieder an mir herumreißen«, entgegnete ich kleinlaut.
    »Nein.«
    »Oh.«
    Wir starrten uns für eine Minute gegenseitig an und wussten nicht so genau, wie das jetzt hier weitergehen würde.
    »Okay. Dann sehe ich Sie nächste Woche«, sagte er. »Ich greife jetzt nach der Tür, und ich werde den Türknauf umdrehen, um aus diesem Raum zu gehen.«
    Großartig. Zusätzlich zu der Tatsache, dass ich unter Amnesie litt, wurde ich jetzt auch noch wie eine gefährliche Irre behandelt. Aber ich fühlte mich irgendwie gut. Noch nie hatte jemand vor mir Angst gehabt. Ich war immer die Okay-für-mich-Jordan, Trampelt-ruhig-auf-mir-rum-Jordan, Mach-schon-und-betrüg-mich-Jordan, Ich-liebe-es-deinen-Job-zu-machen-Jordan. Das war cool. Ich meine, ich hatte nicht vor, jede Person, mit der ich in Kontakt trat, mit einem Karatehieb niederzuschlagen, aber ich genoss es im Namen der ängstlichen kleinen Niete, die ich vorher war, mental zurückzuschlagen.

12. Meine Mutter, meine Schwester
    Ich hatte vor, ein paar Tage bei meinen Eltern auf Long Island zu bleiben, um ins Leben zurückzufinden. Sie waren sich einig, dass sie mich nicht in mein Appartement stecken konnten, da mich das wahrscheinlich dazu gebracht hätte, ziellos durch Lower Manhattan zu irren und damit zur Titelstory in den lokalen Nachrichten zu werden. Oder dass ich im Nachthemd verschwinden und Jahre später als Angestellte in einem Stoffladen in Oklahoma wieder auftauchen würde, mit einem Stadtvermesser verheiratet wäre und auf den Namen Lulu hörte.
    Die Alternative war also, so viel Zeit wie nötig bei meinen Eltern zu verbringen.
    Das Leben auf Long Island war genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Langweilig. Meine Mom nervte, mein Zimmer hatte sich in ein »Arbeitszimmer« verwandelt, und Sam, die nicht wusste, wie recht sie hatte, war wild entschlossen, nachzuweisen, dass ich diese komische Amnesie nur vortäuschte, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
    Ich saß beim Frühstück und schmierte mir gerade fettreduzierten Frischkäse auf mein Bagel, als sie zufällig mit einem Laib Nussbrot in der Hand hereinschlenderte.
    »Hey, Jordan«, sagte sie geistesabwesend, wobei sie mich nicht einmal ansah, und griff nach dem Wandtelefon. »Mom hat mich gebeten, dieses Nussbrot als ein Thanksgiving-Geschenk zu den Kornbluts rüberzubringen, aber es ist so kalt draußen, deshalb wollte ich sie anrufen, ob sie zu Hause sind, damit ich bei der Kälte nicht umsonst gehen muss. Wie war nochmal ihre Telefonnummer?«
    Ich schaute auf das Brot in ihrer Hand und schüttelte leicht den Kopf. »Oh, ein Nussbrot. Unsere Mutter ist ein Schatz, oder?«
    »Ja«, sagte sie ungeduldig. Sie dachte immer noch, sie könnte mich reinlegen und dazu bringen, ihr die Nummer in einer Vorführung von Gedächtnisstärke sofort zu sagen. »Ein Riesenschatz. Also, wie war nochmal ihre Nummer? Ich habe sie vergessen.«
    »Ähm … ich versuche … warte, es ist …«, sagte ich und spielte mit ihr, indem ich eine kurze Pause machte. Sie beugte sich mit leicht verengten Augen und einem bösen Flackern nach vorne. Zu gerne hätte sie mich erwischt.
    »Oh, wie war nochmal die Nummer, unter der man die Nummer von anderen Leuten erfragen kann?«, sagte ich.
    »Vier-eins-vier«, sagte sie leer.
    Ich schaute nach rechts und nach links. »Oh, ich sollte sie mir aufschreiben. Mir ist es so peinlich, diese dummen Fragen immer wieder zu stellen. Aber ich kann es für dich rüberbringen, wenn du mir das Haus zeigst. Du warst so gut zu mir. Ich würde das gerne für dich machen.«
    »Vergiss es«, sagte sie, wütend darüber, dass ihre Tricks nicht funktioniert hatten. Sie musste sich eben mehr anstrengen. Und das tat sie.
    Eines Abends, als ich gerade im Begriff war, einzuschlafen, spürte ich sie auf meiner Bettkante sitzen. In der Annahme, dass ich nicht mehr sehr aufmerksam war, sagte sie: »Hey, Jordan … du kennst doch die Seidenbluse von mir, die du immer so gerne tragen wolltest? Du

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