Von jetzt auf gleich
waren vorbei. Aber ich musste mich natürlich mit ihren offensichtlichen Zweifeln auseinandersetzen: Wie konnte es sein, dass ich arbeiten konnte, ohne eine Erinnerung zu haben? Das hatte ich in der Damentoilette belauscht, als ich gerade ein paar Stunden da war: »Im Ernst – sie ist so etwas wie geistig inkompetent, oder?«
Meine Standard-Antwort lautete: Der Schaden war dem unterbewussten Gedächtnis zugefügt worden, nicht so sehr dem Wissensgedächtnis, das wir abrufen, um unseren Job zu machen. Aus diesem Grund erinnerte ich mich nicht an alle Gesichter und die verrückten Dinge, die wir zusammen gemacht hatten (eine willkommene Befreiung von dem endlosen Erzählen dieser Weißt-du-noch-wie-betrunken-sie-war-Geschichten), aber ich konnte trotzdem die Denkleistung der meisten Deppen, die hier angestellt waren, übertreffen.
Als ich durch die Gänge ging, schauten mich die Leute an, als wäre ich Carrie, in Schweineblut getränkt. Alle tuschelten über mich, und das nicht gerade leise.
»Ich habe gehört, dass sie versucht hat, sich das Leben zu nehmen«, flüsterte Charlotte, das hochnäsige Frauenzimmer aus der Buchhaltung.
»Nein. Da hast du was Falsches gehört«, sagte ich ihr direkt ins Gesicht und lächelte sie an, als hätte ich gar nichts gesagt.
»Oh«, sagte sie total nervös. »Ich habe nicht über dich gesprochen.«
»Okay, gut. Dann sollten wir schauen, dass das auch so bleibt.«
Sie schaute echt geschockt. Kein Wunder, denn normalerweise hätte ich überhaupt nichts gesagt. Sie wollen über mich reden – nicht meine Angelegenheit. Und ob das meine Angelegenheit war. Ich hatte ihnen eine Menge zu tuscheln geliefert, aber ich stellte zumindest sicher, dass sie unverfälschte Fakten haben würden.
Ich flitzte zur Rezeption und gab vor, nicht zu wissen, wo ich hin musste.
»Hi, ich bin Jordan. Ich bin nicht sicher, ob Sie es gehört haben, aber ich hatte einen Unfall und … na ja, ich leide unter Gedächtnisverlust und kann mich an einige entscheidende Details nicht erinnern. Sie kennen mich, oder?«
»Ja, Jordan Landau«, sagte die Frau an der Rezeption. »Vertrieb.«
»Richtig«, sagte ich. »Vertrieb.« Es machte mich krank, darüber nachzudenken, was Lydia mir angetan hatte, aber ich war dabei, das abzustreifen. Ich musste so tun, als wäre alles in Ordnung. »Können Sie Lydia wissen lassen, dass ich hier bin und bereit zu arbeiten?«
»Sicher. Kein Problem.« Sie drückte ein paar Knöpfe und sprach in ihr Headset. »Lydia? Jordan ist hier.« Sie hörte ein paar Sekunden lang zu und legte dann auf. »Sie hat gleich Zeit für Sie. Brauchen Sie Hilfe, den Weg zu finden?«
»Nein … das ist schon komisch«, sagte ich, »manche Dinge sind absolut klar. Ich würde wahrscheinlich eher die Kaffeefilter in der sechsunddreißigsten Etage finden, als dass ich … mich an Ihren Namen erinnere. Tut mir leid.« Entschuldigendes Lächeln.
Sobald ich zu Ende geredet hatte, stand Lydia mit einem gekünstelten Lächeln vor mir.
»Hi, ich bin Lydia. Ich habe dich im Krankenhaus besucht. Erinnerst du dich?«
»Ja, das tue ich. Das war sehr nett.«
»Lass uns zu deinem Arbeitsplatz gehen«, sagte sie vorsichtig … langsam. Offensichtlich war sie zum Langsamsprechen zurückgekehrt. Sie ging voraus. Als ich ihr folgte, drehte ich mich zu der Rezeptionistin um und lächelte sie dankbar an.
»Hier sitzt du«, sagte Lydia. »Dein Schreibtisch ist dieser hier – der mit dem Hasselhoff-Poster. Du bist ein großer
Baywatch
-Fan.«
»Ich erinnere mich an den Schreibtisch. Aber
Baywatch
… Ich?«
»Sicher«, sagte sie.
»Läuft das denn noch?«
»Das weiß ich nicht«, sagte sie.
»Kann es nicht sein, dass ich die ganze Sache auf die Schippe genommen habe?«
»Das weiß ich nicht«, sagte sie irritiert. Sie sprach über meine Liebe zu einer Serie, von der ich in meinem ganzen Leben nicht eine einzige Folge gesehen hatte.
»Mein Büro ist genau hier. Wir arbeiten an einer Kampagne für VibraLens. Die Unterlagen liegen auf deinem Schreibtisch, damit du dich mit ihnen vertraut machen kannst.«
»Großartig. Ich werde sie mir ansehen«, sagte ich und sah mich auf meinem Schreibtisch um. Es hatte sich nichts verändert. Ich weiß nicht, ob ich das erwartet hatte, auf jeden Fall war alles beim Alten.
»Mach das. Wir treffen uns später, um mit dem Marketingchef von VibraLens über unseren großen Präsentations-Freitag zu reden.«
»Okay.«
»Okay«, entgegnete sie.
»Okay«, sagte ich
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