Von jetzt auf gleich
vorher, aber es wäre durchaus möglich, dass ich einfach nur höflich war.« Ich war vorher immer höflich. Aber, verdammt, genug ist genug. Warum sollte ich eine fleischige Zunge in meinem Ohr tolerieren? Eigentlich war ich immer noch viel zu nett. Ich hätte noch schärfere Geschütze auffahren können, seine Qualitäten als Liebhaber generell in Frage stellen – die definitiv nicht vorhanden waren. Es genügt wohl zu sagen, dass Michael Dirkston annahm, die Klitoris wäre ein alter griechischer Tempel.
Dirk war total frustriert, weil sein Ohrtrick nicht funktioniert hatte. Er blickte nach unten und verzog den Mund für eine Sekunde, während er an einem losen Faden von dem Riss in seiner Jeans zog. Ich kam mir mies vor. Ich wusste, er hatte es gut gemeint. Nein, das hatte er nicht. Mir kam die Szene in den Sinn, als dieser »süße Junge« in
unserem
Restaurant mit der heißen Blondine rumgeturtelt hatte, und ich erinnerte mich daran, dass Dirk sich nur für eine einzige Sache wirklich interessierte: für Dirk.
Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, stand er auf und lief in die Küche. Dann hielt er eine Packung Nudeln hoch.
»Sollen wir Abendessen machen?«, fragte er. »Ich habe alles da, um die Pasta Primavera zu machen, die du so gerne magst.«
»Okay«, sagte ich und wusste ganz genau, was jetzt kommen würde. Ich beschloss, den Ablauf zu ändern. »Leg los!«
»Nein«, sagte er. »Ich meinte dich. Du bist diejenige, die normalerweise kocht.«
»Tatsächlich? Ich bin eine gute Köchin? Cool. Aber …« Ich machte einen Schmollmund und sah ihn mit entschuldigenden Augen an. »Ich kann mich nicht daran erinnern, wie man irgendwas kocht. Tut mir leid.«
»Oh.«
»Warum bestellen wir uns nicht einfach etwas?«, bot ich an.
»Oder noch besser, vielleicht lädst du mich in ein nettes kleines Restaurant ein. So was … hast du doch gemacht, oder?« Es wurde wieder richtig lustig. Dirk sah frustriert aus. Er rollte mit den Augen. Direkt vor mir. Ich leide unter Amnesie. Ich bin nicht
blind
, du Schwachkopf.
»Ja, richtig«, sagte Dirk verärgert. »Ich hab dich dauernd ausgeführt. An wirklich schöne Orte.«
»Großartig. Dann lass uns heute Abend ausgehen.« Mir war klar, dass er nicht das geringste Interesse daran hatte, wieder um mich zu werben.
»Ich weiß nicht. Ich bin ein bisschen müde.«
Das dachte ich mir.
»Gut, vielleicht möchtest du dann diese Pasta machen?«
»Nein, vergiss es«, sagte er. »Ich bin nicht so hungrig.«
»Vor einer Sekunde warst du es.«
»Jetzt nicht mehr.«
»Aber ich. Vielleicht kannst du ja dann welche für mich machen.« Er wurde total sauer.
»Vergiss die Pasta. Lass uns einfach was bestellen.«
»Großartig«, sagte ich fröhlich, und er rollte wieder mit den Augen, während er einen Stapel Speisekarten hervorholte.
16. Erfinde deinen Job neu
Ich wachte mit einem guten Gefühl auf, mit dem normale Leute wahrscheinlich jeden Tag aufwachen, aber ich war nicht daran gewöhnt. Es war so schön, dass ich noch zehn Minuten länger im Bett blieb. Einfach so. Und wenn ich zehn Minuten zu spät zur Arbeit …? Auch egal.
Als ich im Büro ankam, befanden sich drei gelbe Post-it-Zettel auf meinem Schreibtisch. Auf allen stand: »Ruf mich an.« Alle waren von Lydia. Wieso gleich drei? Ich versuchte zu rekonstruieren, was vor sich gegangen war: Sie kommt aus ihrem Büro, geht zu der Box und sieht, dass die Person, die sie sprechen will –
ich
–, nicht an ihrem Platz ist. Deshalb hinterlässt sie mir eine Nachricht, dass ich sie anrufen soll. Wahrscheinlich kommt sie zwei Minuten später wieder aus ihrem Büro, nur um zu checken, ob ich schon da bin. Nein, bin ich nicht. Aber, was soll’s, sie steht schon mal da, warum soll sie also nicht eine Nachricht hinterlassen,
genau die gleiche
? Dann, vielleicht weitere drei Minuten später – Gott, man hätte in dieser Zeit ein Ei kochen können – kommt sie wieder hinaus, um zu sehen, ob ich inzwischen angekommen bin. Doch ich bin immer noch abwesend, deshalb entscheidet sie, es wäre eine exzellente Idee, mir eine weitere Nachricht zu hinterlassen – mit genau demselben Inhalt. Lydia verdiente eine Menge Geld. Das erstaunte mich.
Dann summte die Telefon-Gegensprechanlage laut.
»Bist du schon da?«, fauchte sie.
»Ja, ich bin hier.« Ich schaute auf die Uhr. Ich war lediglich sieben Minuten zu spät. All dieses dramatische Nachrichten-Hinterlassen hatte sich innerhalb von sieben Minuten abgespielt.
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