Von jetzt auf gleich
konnte: meiner Mutter. Unter den Bewohnern des Hauses gab es eine ziemlich gute Übereinkunft über das Hereinlassen von Nichtbewohnern. Sie ging auf einen unglücklichen Zwischenfall mit einem liebeskranken Mädchen zurück, das den Flachbildschirm ihres Exfreundes aus dem Fenster geworfen hatte, nachdem sein mitleidiger Nachbar sie hereingelassen hatte. Also war es jetzt eine große Leistung, dieses System zu knacken – aber ein Kinderspiel für meine hartnäckige, scheißfreundliche Mutter. Ich biss die Zähne zusammen und linste hoffnungsvoll durch das Loch für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand anderes unerwartet mit einem dicken Geschenk hereinschneite.
Aber nein, es war meine Mutter.
Als ich die Tür öffnete, sah sie mich von oben bis unten an, und ihr Gesicht zuckte, eine winzig kleine Bewegung, die Mitleid, Herablassung und Verachtung ausdrückte.
»Mom, was für eine schöne Überraschung.«
»Hallo, Schätzchen«, sagte sie und schnüffelte herum, so als wollte sie herausfinden, ob ich gekifft hatte, aber eigentlich, um mir klarzumachen, dass es bei mir nicht sauber genug war.
»Ich war gerade in der Nähe, da dachte ich, ich schaue mal vorbei, um zu sehen, wie es dir geht.« Erneut ließ sie diesen Zwei-Sekunden-Blick durch mein Appartement schweifen, und ich schwöre, sie zuckte wieder. War sie dabei, einen Tick zu entwickeln? War sie gegen
mich
allergisch? Sie schaute auf den Klamottenstapel auf meinem Boden. »Was hast du mit deiner Wäsche vor? Willst du den Stapel so groß werden lassen, dass er nicht mehr durch die Tür passt, um dann ein Feuer zu machen und alles neu zu kaufen?«
»Nein, ich kümmere mich drum. Obwohl ich versucht habe, einen Rekord zu brechen.«
»Das ist nicht lustig, Jordan, es ich einfach nur ekelhaft. Wie kannst du nur so leben?« Zu meiner Verteidigung (was in Anwesenheit meiner Mutter meine gewöhnliche Haltung ist): Der Stapel Klamotten, den sie meinte, bestand nicht ausschließlich aus schmutzigen Sachen. Jeder weiß, dass eine Frau manchmal viele, viele Outfits anprobieren muss, bevor sie das eine findet, in dem sie sich wohlfühlt. Das bezieht sich auf ganz normale Tage. Wenn dann noch PMS dazukommt, kann man zehn Outfits anziehen, bevor man das eine findet, in dem man mit Glück am wenigsten grauenhaft aussieht. Dieses Outfit ist in der Regel das, das man als Erstes anhatte, aber das ist wieder etwas anderes. Was ich sagen wollte, ist, dass die Klamotten alle völlig sauber waren. Weil ich so viel Zeit damit verbracht hatte, das passende Outfit herauszufinden, hatte ich eben keine Zeit, alles wieder wegzuräumen. Jemand anderem hätte ich möglicherweise alles erklärt, doch bei meiner Mutter machte ich mir nicht die Mühe. Es ging sie nichts an. Ich nickte einfach nur zustimmend.
»Ich weiß nicht, wie ich so leben kann«, sagte ich.
»Ich weiß es auch nicht.«
»Ich weiß.« Ich schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern, als ob wir gar nicht über mich reden würden und ich genauso angeekelt wäre wie sie.
»Gut, zumindest ist das mehr die Jordan, die ich kenne und liebe. Hast du schon angefangen, dich an irgendetwas zu erinnern?«
»Nein, nicht wirklich.« Ja, ich erinnere mich an das letzte Mal, als du einfach uneingeladen hier vorbeigekommen bist und genau dasselbe gesagt hast. Warum machst du dir nicht einfach eine gedankliche Notiz, dass Jordan unzivilisiert ist und im Dreck lebt? Dann wärst du bei diesem Anblick nicht immer so wahnsinnig geschockt und müsstest mich nicht jedes Mal, wenn du in meine Privatsphäre eindringst, darauf aufmerksam machen.
»Ich habe dir ein paar Leckereien mitgebracht«, sagte sie jetzt in einem fröhlichen Ton. Ich hatte die Lebensmitteltüten in ihrer Hand bemerkt, wollte aber nicht fragen. Zumindest kam sie, um Geschenke vorbeizubringen. Kostenloses Essen schätzt man immer, wenn man nicht viel verdient und in Schulden ertrinkt. Meine Junior-Werbetexter-Position brachte zwar eine kleine Gehaltserhöhung mit sich, doch die erlaubte mir gerade mal, jeden Tag Sandwiches mit einer seltenen Thunfischsorte drauf zu essen. Dennoch habe ich mich bisher, wie so viele in einer ähnlichen Zwangslage, davor gedrückt, mich einzuschränken. Aber die neue Jordan wusste, dass es an der Zeit war. Sie musste nur den gelegentlichen Impuls unterdrücken, etwas zu kaufen, das sie nicht brauchte und das sicher innerhalb der nächsten sechs Monate im Müll landen würde, und für einen Kontostand im dreistelligen, wenn
Weitere Kostenlose Bücher