Von jetzt auf gleich
er den Schritt wagen soll? Ich stand auf und öffnete die Tür. Dirk kam herein und sah sich um.
»Wie geht es dir?«, fragte ich ernst. Ernst war zu meinem zweiten Vornamen geworden.
»Warum hast du mich nicht angerufen?«, fragte er.
»Ich war beschäftigt.«
»Beschäftigt?«, wiederholte er. »Womit? Du hast kein Leben.«
»Willst du mich verarschen?«, blaffte ich ihn an, und Dirk sprang fast zurück. Er war mein großmäuliges Ich offensichtlich nicht gewöhnt. Seine Augen wurden größer, und seine Arme begannen wild zu rudern, so als wollte er das, was er gerade gesagt hatte, vertreiben.
»So hab ich das nicht gemeint«, verteidigte er sich. »Was ich meinte, ist, du kannst dich an nichts von früher erinnern, also kann ich einfach nicht verstehen, womit du so beschäftigt bist.«
»Oh, richtig.« Depp. »Na ja, ich bin befördert worden und habe eine Gehaltserhöhung bekommen. Deshalb habe ich mit meinen Freunden herumgehangen …« Und mich verliebt. »Und einfach … weißt du … versucht mich zu erinnern.«
»Du hast mich nicht angerufen«, sagte er, als würde es ihn wirklich beschäftigen.
»Du hast mich auch nicht angerufen.«
»Aber du bist immer diejenige gewesen, die mich angerufen hat.«
»Wirklich?«, fragte ich. »Ein weiser Mann mit einer grenzwertigen Stimme hat letztens im Radio gesungen ›The times they are a-changin‹ …« Er sah mich richtig verstört an. Vermutlich war er irritiert, dass ich mich nicht so unterwürfig wie sonst benahm (und ihn nicht anflehte, Zeit mit mir zu verbringen), sodass er mich nicht wie Scheiße behandeln konnte. Oder vielleicht hatte er auch ein Problem mit Radiosendern, die immer noch Dylan spielten. Er sah sich um, und für eine Sekunde hatte er diesen Kleine-Jungen-Blick, der eins der Dinge war, mit denen er meine Zuneigung gewonnen hatte. Er tat mir ein bisschen leid. Es war nicht
alles
schlecht an ihm. Er hatte ein gutes Herz. Er brauchte nur einen Bypass, um die Dreckskerl-Arterie zu ersetzen.
»Also, ich hab gehört, dass du einen wichtigen Prozess vor dir hast«, sagte er. »Du wirst wahrscheinlich richtig absahnen.«
»Wo hast du das gehört?«
»La La Schneider hat es mir erzählt.«
»La La, die Freundin meiner Schwester?«, fragte ich und fügte hektisch hinzu: »Ich glaube, ich habe sie kennengelernt, als ich bei meinen Eltern war.« La La war das Mädchen, das in der siebten Klasse Sex mit Chris Tannenbaum hatte, weil sie »verliebt« waren. Sie waren dreizehn Jahre alt. Ich war zu der Zeit sechzehn und hatte noch nicht einmal einen Zungenkuss. Dirk und La La also? So wie ich es sah, war es eine Gute-Nachricht-Schlechte-Nachricht-Situation. Gute Nachricht: Ich war verrückt nach Travis, deshalb interessierte es mich nicht die Bohne. Schlechte Nachricht: Dirk hatte jetzt möglicherweise eine Geschlechtskrankheit, weil La La im zarten Alter von fünfzehn an Herpes erkrankt war, nachdem sie im Ferienlager mit einem siebzehnjährigen Typen, ihrem fünften Intimpartner, geschlafen hatte. Gute Nachricht: Ich hatte nicht vor, Dirk jemals wieder anzufassen. Also, was mich betraf, konnte sein Ding ruhig zusammenschrumpfen und abfallen.
»Ja, ich bin La La auf der Dachterrasse bei
Bed
in die Arme gelaufen.«
Er ist ihr in die Arme gelaufen. Richtig. Ich bin sicher, er ist gestolpert und direkt in ihre Arme gefallen.
Eigentlich hätte ich mich gar nicht daran erinnern dürfen, wer zum Teufel La La war, wenn man berücksichtigte, dass ich unter Amnesie litt. Das hätte ein dicker Patzer werden können, wenn Dirk nicht so ein Riesendepp gewesen wäre. Aber das war er. Gott sei Dank.
»Du bist also dabei, uns reich zu machen?«
»Uns?«, fragte ich, wobei ich den Kopf zurückwarf, als wollte ich schlechtem Atem ausweichen.
»Dich und mich, Baby. Wir werden auf großem Fuß leben.«
»Ich bedaure, dir das zu sagen, aber ich werde niemanden verklagen«, sagte ich und dachte laut: »Ich dachte, das hätte ich schon geklärt, als meine überehrgeizige, geldgierige Mutter das zum ersten Mal angesprochen hat.«
»Deine Mom hat es bestätigt.«
»Bitte?«
»Ja«, sagte er. »Das hat sie.«
»Warum hast du mit meiner Mom gesprochen?«
»Ich habe mich nach dir erkundigt. Ich wollte einfach wissen, wie es dir geht … Und sie weiß, dass ich weiß, wie man Gesetze auslegt …«
»Wenn du dich nach mir erkundigen wolltest, warum hast du nicht einfach mich gefragt?«
»Na ja, ich bin ihr in die Arme gelaufen.«
»Meiner Mom auch? Du
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