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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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der nichts anderes als Honig und Zichorien zu sich nahm. Die Mafia gab es nicht mehr.
    Ob Paolo Provenzano erleichtert war, als sein Vater festgenommen wurde? Dass die Geheimniskrämerei ein Ende hatte? Das ganze Theater mit den Treffen auf Schleichwegen, das Kommunizieren dank zusammengerollter und mit Tesafilm verschlossener Zettelchen, die Zahlenspielchen und die Segnungen am Ende eines jeden Briefes Danken wir unserem Herrn Jesus Christus ?
    Auf jeden Fall löste er seinen Vertrag als Fremdsprachenassistent vorzeitig auf und kehrte von Schwerte nach Corleone zurück. Um seiner Mutter und seinem Bruder beizustehen.
    Die auf dem Schulhof herumfliegende Plastiktüte hat sich inzwischen in einem Gebüsch verfangen. In ein paar Pfützen auf dem Hof spiegelt sich das Türkisblau der Fassadenverkleidung. Kalte Feuchtigkeit kriecht an mir hoch, und ich setze mich wieder in den Wagen. Ich versuche mir den jungen Lehrer Paolo Provenzano in Dortmund vorzustellen. Ob er mit seinen Schülern Italienisch essen ging? Oder lieber für sie kochte? Ging er abends ins Kino? Odervielleicht in einen Club, tanzen? Ob er das idyllische, aufgeräumte Schwerte geliebt hat, mit seinem Kopfsteinpflaster und den Blumenampeln an den Straßenlaternen? Hat er sich über den modernen Skulpturenbrunnen im Stadtzentrum gewundert? Kunst ist Glückssache. In Kamen fließt Wasser auf bronzene Folianten, in Schwerte ist es ein stählerner Trichter, aus dem sich eine Fontäne in eine Trommel ergießt. Geldwaschanlage, so nennt man in Schwerte diesen Brunnen. Ob Paolo Provenzano darüber gelacht hat?
    Das deutsche Wort »Geldwäsche« klingt irgendwie treuherzig. Als verhalte es sich mit der Geldwäsche tatsächlich so, wie es der Brunnen verheißt: Dort kommt das schmutzige Geld rein, da kommt es sauber wieder heraus und fließt in den deutschen Wirtschaftskreislauf ein, schafft deutsche Arbeitsplätze, sichert deutschen Wohlstand. Wo ist also das Problem? Müssen wir uns auch noch Sorgen darum machen, woher das Geld kommt?
    Tatsächlich wird es aus dem Drogengeschäft stammen. Oder aus Menschenschmuggel. Aus der Schutzgelderpressung. Vielleicht auch aus dem Waffenhandel. Bargeld – mit dem Rechnungen für Waren ausgestellt werden, die gar nicht gekauft wurden. In Süditalien sind Supermärkte deshalb als Geldwäscheanlagen beliebt, unter anderem. Aber im Grunde eignet sich jedes Wirtschaftsunternehmen zur Geldwäsche, Hotels, Ferienanlagen, Immobilien. Sobald eine falsche Rechnung ausgestellt wurde, existiert das Geld auch für die Buchhaltung. Völlig korrekt. Deshalb sind Mafiosi auch daran interessiert, so viele Steuern wie möglich zu bezahlen. Oder einen Kredit abzutragen. Etwa eine Bürgschaft aus Mitteln des Landes. Oder der Europäischen Gemeinschaft.
    Anders als in Italien muss in Deutschland nicht der Pizzabäcker nachweisen, dass die 80 000 Euro, die er für denKauf dieser Pizzeria, sagen wir, in Sonthofen auf den Tisch gelegt hat, aus sauberen Quellen stammt, sondern die Ermittler müssen belegen, dass das Geld illegal verdient wurde: »Beweislastumkehr« heißt das in jenem sperrigen Amtsdeutsch, das oft den Blick auf die Wirklichkeit verstellt. Eine weitere spröde klingende Formel verheißt, dass »anlassunabhängige Finanzermittlungen« in Deutschland nicht erlaubt sind. Für Mafiosi verbirgt sich dahinter ein Eldorado, eine Einladung zur Geldwäsche in Deutschland. Wenn es keinen konkreten Tatverdacht gibt, sondern nur gewisse Auffälligkeiten, etwa ein grobes Missverhältnis zwischen den finanziellen Möglichkeiten eines freundlichen italienischen Pizzabäckers, der als monatliches Einkommen 800 Euro angibt und sich für das Hundertfache seines Gehalts eine Pizzeria kaufen kann, dann passiert erst mal: nichts. Denn in Deutschland kann bereits der Satz »Wurde mir von meinem Onkel in Italien geschenkt« ausreichen, um einen Verdacht auf Geldwäsche zu entkräften. Natürlich gibt es die Geldwäschebeauftragten in den Banken, die auffällige Kontobewegungen melden müssen – wenn sie über 15 000 Euro liegen. Aber meist wird das Geld im Koffer gebracht. So einfach ist die Geldwäsche in Deutschland.
     
    Der Himmel über der Ruhr ist nah und flach und nicht mehr endlos blau, sondern mit unbeweglichen Wolken bemalt. Bäume bedrängen die Autobahn, an manchen Stellen leuchten sie flammend rot, gesprenkelt mit flüssigem Gold, dazwischen schimmern Blätter, die aussehen, als seien sie in Rotwein getaucht worden, zuppa di vino ,

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