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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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nach, wie viele Festnahmen ihm entgingen, während er mit mir sprach.
    Gratteri ermittelt nicht nur gegen die Täter der Duisburger Mordnacht, sondern auch gegen die Clans von San Luca, gegen die Pelle-Romeo und die Nirta-Strangio. Mehr als vierzig Mafiosi aus San Luca hat er verhaftet, der Prozess wird in Locri geführt. Ihm gelang es sogar, den flüchtigen Clanchef Antonio Pelle zu verhaften – dem 150 MillionenEuro beschlagnahmt wurden, ein bescheidener Teil seines aus Immobilien, Autos und Grundstücken bestehenden Vermögens.
    Aber Gratteri sagte: Das bedeutet nichts. Mafiosi wachsen nach wie Tumorzellen. Als der Clanchef von San Luca, Antonio Pelle, genannt Gambazza, im November 2009 an einem Herzinfarkt starb, spielte die Fussballmannschaft von San Luca mit Trauerflor am Oberarm. Don Pino, Pfarrer von San Luca und in dieser Eigenschaft Präsident des Fußballclubs von San Luca, wollte von dem Trauerflor nichts bemerkt haben.
    Gratteri stellte fest, dass die Festnahme von Giovanni Strangio und seinen Mittätern an dem grundlegenden Problem der Präsenz der Mafia in Deutschland nicht das Geringste ändere: Solange in Deutschland weder in öffentlichen Lokalen noch zu Hause abgehört werden könne, solange Mafiazugehörigkeit kein Delikt sei und die Geldwäsche in Deutschland ungleich einfacher sei als in Italien, könne die Mafia in Deutschland nicht wirksam bekämpft werden.
    In Italien gebe es zwar mehr gesetzliche Möglichkeiten, um die Mafia zu bekämpfen, sagte Gratteri, aber dafür sei die Mafiaverflechtung so erschreckend dicht, dass sie in Reggio Calabria sogar den Atem kontrolliere: controlla il respiro .
    Die ’Ndrangheta ist die einzige Mafiaorganisation, die außerhalb ihres eigentlichen Territoriums Niederlassungen gründen kann. In Deutschland ist sie seit den sechziger Jahren zu Hause. In jenen Orten, in denen einst die Gastarbeiter Arbeit fanden, als Stahlarbeiter bei Hoesch oder als Metallarbeiter bei Mercedes-Benz. Die klassischen Stützpunkte der ’Ndrangheta sind Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Städte wie Duisburgund Bochum, Oberhausen und Essen, niederrheinische Städte wie Kaarst und Xanthen, Kevelaer und Neukirchen-Vluyn, Wesel und Dinslaken, Universitätsstädte wie Münster und Erlangen, Großstädte wie Stuttgart und München. Und seit Mitte der neunziger Jahre auch der Osten: Erfurt, Leipzig, Eisenach, Weimar, Dresden. Allein von den Clans aus San Luca sind zweihundert Mitglieder offiziell in Deutschland gemeldet, als Hauptstützpunkte dieses Clans führen die Berichte des Bundeskriminalamts Duisburg, Erfurt und Leipzig auf.
    Aber auch die Familien der kampanischen Camorra und der sizilianischen Cosa Nostra sind in Deutschland aktiv. Bei der Camorra ist es der Clan der Licciardi, von dessen Deutschlanderfahrung – mit Stützpunkten von Hof über Frankfurt bis nach Düsseldorf – unzählige andere Camorra-Clans lernten. Und die Familien der Cosa Nostra operieren in Köln und Mannheim, in Hamburg, Solingen und in Wuppertal – bis hin ins Erzgebirge, wo sie das Hotelgewerbe beleben. Die Cosa Nostra bringt auch ihre langjährigen Erfahrungen im Baugeschäft in Deutschland ein: öffentliche Aufträge manipulieren, Bauaufträge als Subunternehmer ausführen, ohne Sozialabgaben und ohne Steuern zu bezahlen, all das ist eine Spezialität der Sizilianer. Konkurrenz zwischen den einzelnen italienischen Mafiaorganisationen gibt es nicht. Der deutsche Kuchen reicht für alle.
    Auf den knapp 400 Seiten des BKA-Berichts über die ’Ndrangheta in Deutschland geht es um Waffenhandel, Mord und Geldwäsche, um Drogenhandel, Giftmüllentsorgung und Schutzgelderpressung, um Familienstammbäume von Mafiafamilien, Clanchefs und ihren Handlangern, um Bandenmitglieder und ihre Vertrauten, Freunde und Familienmitglieder – bis hin zu den deutschen Ehefrauen,deutschen Rechtsanwälten, deutschen Steuerberatern, deutschen Bankdirektoren und deutschen Politikern. Dieser mir vorliegende interne Bericht des Bundeskriminalamts über die Clans der kalabrischen ’Ndrangheta und speziell über die Machenschaften der Clans von San Luca wird jedes Jahr vom Bundeskriminalamt aktualisiert – in ihn fließen die Ermittlungsergebnisse italienischer und deutscher Fahnder ein, damit der BKA-Bericht schließlich als Hintergrundwissen für die Beamten der Abteilungen »Organisierte Kriminalität« dienen kann.
    Staatsanwalt Gratteri geht von mindestens dreihundert Restaurants aus, die von

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