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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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in Europa lebenden Auslandsitaliener kandidieren zu können, brauchte Di Girolamo einen Wohnsitz im europäischen Ausland – der ihm von einem ehemaligen römischen Rechtsextremisten mit guten Beziehungen zum italienischen Botschafter in Brüssel verschafft wurde. Rechtzeitig für seine Kandidatur gab Di Girolamo eine Adresse in Brüssel an, hinter der sich eine Wohngemeinschaft junger italienischer Stipendiaten verbarg, die im EU-Parlament arbeiteten. Der belgische Wohnsitz des zukünftigen Senators war eine Dreizimmerwohnung, in der Di Girolamo auf einem Klappsofa im Wohnzimmer hätte schlafen müssen. Wenn er denn in die Verlegenheit gekommen wäre, überhaupt an seinem offiziellen Wohnsitz auftauchen zu müssen.
    Mokbel war zusammen mit dem Anwalt des Clans Arena mehrfach nach Kalabrien gereist, um dort den mutmaßlichen Boss Franco Pugliese zu treffen, laut Ermittlern der Geldwäschebeauftragte des kalabrischen Clans. Der Clan Arena stammt aus Isola Capo Rizzuto in der Provinz Crotone und gehört zu den ältesten Clans der ’Ndrangheta.Laut der Aussage verschiedener abtrünniger Mafiosi sei Pugliese zwar nicht »getauft«, aber dennoch vollständiges Mitglied des Clans Arena – vor allem dank seiner Verwandtschaftsbeziehung: Er hat die Tochter des Clanchefs Fabrizio Arena geheiratet – dessen Gelder er wäscht und investiert.
    Da die Clans die Wählerstimmen der in Deutschland lebenden Italiener als reine Verfügungsmasse betrachten, ging es während der Sondierungsreise nach Kalabrien nur noch um das Wie der Wahlfälschung, die konkreten Geschäftsbedingungen. So wurde der Preis für eine Stimme ausgehandelt, denn die Italiener, die der ’Ndrangheta in Stuttgart ihre Stimmen zur Verfügung stellten, mussten dafür ja angemessen belohnt werden. Außerdem forderte Pugliese als Gegenleistung noch einen kleinen persönlichen Gefallen: Eine von ihm bereits bestellte Yacht sollte auf den Namen irgendeiner Gesellschaft eingetragen werden. Aufgrund seiner engen Verwandtschaftsbeziehungen zum ’Ndrangheta Clan Arena befürchtete der Boss, dass die Ermittler ihm die Yacht beschlagnahmen könnten.
    Nachdem die Geschäftsbedingungen geklärt waren, schickten die ’Ndranghetisti im April 2008 einen Wahlhelfer nach Deutschland, der dort zusammen mit einem Vertrauten Mokbels die Blankowählerstimmen einsammelte und mit dem Namen des Senators ausfüllte. Die Wählerstimmenexpedition begann in Esslingen, als Basislager diente der nächstgelegene Fanclub von Inter Mailand. Von da aus ging es durch ganz Baden-Württemberg bis nach Hessen. Wobei der Orientierungssinn der beiden Kundschafter nicht sehr ausgeprägt gewesen zu sein scheint: Als der zukünftige Senator Di Girolamo anrief, um zu wissen, wo die Stimmen eingesammelt wurden, konnte ihm sein Vertrauensmann nur sagen, dass sie in Esslingen übernachtetenund täglich vier- bis fünfhundert Kilometer fahren mussten, nach Norden, Süden, Westen und Osten, um alle italienischen Gemeinden abzuklappern: Kurz, es handelte sich um keine Vergnügungsreise, sondern eine aufopferungsvolle Anstrengung, wie der Emissär dem zukünftigen Senator in einem abgehörten Telefonat klarzumachen versuchte. So ist in der Ermittlungsakte der Römischen Staatsanwaltschaft zu lesen:
     
    Heute waren wir in so einem türkischen Viertel, du kannst dir das gar nicht vorstellen, was das bedeutet, wir kamen in die Wohnung von so ein paar elenden Italienern, der Hund bellte, ein kleines Mädchen kackte, und die haben uns so um die zwanzig Stimmen gegeben, ich wollte die Wohnung gar nicht betreten, es ekelte mich, also ist Giovanni reingegangen, mit seinem kalabrischen Schwung, sagen wir. Er nahm sich die Stimmen, und dann sind wir abgehauen. Ich kann dir garantieren, Giovanni ist hier der Chef der deutschen Abteilung.
     
    Auch Gennaro Mokbel, der Drahtzieher, rief regelmäßig an, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Und um noch etwas Geld zu schicken, »zwei Säcke voll«, wie sein Emissär am Telefon orderte. Der Stimmenkauf war am Ende so gut organisiert, dass die beiden Wahlhelfer nicht mehr reisen mussten, sondern die Wahlscheine in dem Inter-Mailand-Fanclub bei Esslingen direkt in Empfang nehmen konnten: »Ich wollte dir nur sagen, die kommen aus der ganzen Gegend von Stuttgart hierunter, sie kommen auch aus Frankfurt, wir haben jetzt im Inter-Club eine Sammelstelle eingerichtet, sie kommen wirklich von überall her.«
    Die Wahlhelfer bereiteten schon die Wahlparty vor. Auch der

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