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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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signalisierte Ehrerbietung, Respekt. Von dem ermordeten Staatsanwalt Giovanni Falcone wird oft die Anekdote erzählt, dass er, als ein Boss es wagte, ihn bei einem Verhör mit »Herr Falcone« anzusprechen »Herr Staatsanwalt, bitte« korrigierte. Und meinte damit: Keine Vertraulichkeiten.
    Die Mafia nahm Krombacher dennoch so ernst, dass er anderthalb Jahre lang das Leben eines italienischen Antimafiastaatsanwalts führen musste: Nach einer Bedrohung durch einen Camorra-Clan lebte er unter Personenschutz.
    Ich versuche mir ihn mit seinen deutschen Leibwächtern vorzustellen, mit jenen diskreten Herren in Anzügen, Männern, die ab und zu in ihren Ärmel flüstern und die so ganz anders aussehen als die Leibwächter der italienischen Staatsanwälte, die Jeans und verblichene T-Shirts tragen und manchmal auch einen Ohrring im rechten Ohr.
    Und dann gab es noch die Ermittlungen gegen Mario Lavorato. Den Prominentenwirt. Den Oettinger-Freund. Der Catering für die CDU-Wahlpartys machte. Und der am Ende der Ermittlungen lediglich wegen Steuerhinterziehung in Arrest genommen wurde. Und der nach einer Zahlung von zwei Millionen Mark Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt werden musste. Später wurde Lavoratozu einer Bewährungsstrafe, der Rückzahlung der Steuerschuld von 1,3 Millionen Mark und zu einer Geldstrafe von 250 000 Mark verurteilt.
    »Damals hatten wir gute Erkenntnisse, heute wissen wir so gut wie gar nichts mehr von der Italienerszene«, sagt Krombacher, »was allerdings nicht daran liegt, dass die Mafia aus Stuttgart verschwunden wäre, nein, sie ist nur unsichtbar geworden.« Er fügt hinzu: »Heute haben wir hier Geschäftsmänner, die Geldwäsche betreiben, die zu ermitteln ist noch viel schwieriger, denn es gibt kaum Geschädigte, die sich an uns wenden. Ich bin mir sicher, dass große Summen Geld aus Kalabrien nach Stuttgart fließen. Aber wir können ja keine ›anlassunabhängigen Finanzermittlungen‹ machen. Banken müssen erst ab 15 000 Euro eine Verdachtsanzeige wegen Geldwäsche machen. Oder wenn etwas auffällig ist. Etwa, wenn jemand große Summen in kleinen Scheinen einbezahlt. So etwas kann der Geldwäschebeauftragte uns melden, muss er aber nicht. Wir müssen nachweisen, dass das Geld aus Straftaten stammt.« Die Tatsache, dass dieses Geld aus dem kalabrischen Cariati stammt, reicht allein nicht. Wenn ein Verdacht nicht bewiesen werden kann, wird die Akte wieder geschlossen. »Ich muss beweisen, dass die Leute zu dem Clan gehören. Wir brauchen Fakten, die für uns nach dem Paragraphen 129 Strafgesetzbuch zählen: kriminelle Vereinigung. Der italienische Paragraph der Mafiavereinigung, der Paragraph 416 bis, reicht viel weiter. In Italien hat man diesen Paragraphen so weit gefasst, weil es so schwierig war, die Taten nachzuweisen«, sagt Krombacher.
    Auch in Baden-Württemberg investiert die Mafia schon lange in die legale Wirtschaft. Weshalb die meisten Mafiaermittlungen heute Delikte der Wirtschaftskriminalität sind. Wirtschaftsdelikte bergen das geringste Risiko: Siesind lohnender als ein Bankraub und werden milder bestraft. Das habe mit dem Grundsatz zu tun, dass die Dauer des Verfahrens bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sei. Weil Wirtschaftsverfahren so langwierig seien, fielen die Strafen mild aus, maximal vier bis fünf Jahre Haft. Ein guter Anwalt ziehe das Verfahren so in die Länge, dass die Strafe verkürzt werde.
    In der Bauindustrie verdiene die Mafia Millionen, indem sie Lohnsteuer und soziale Abgaben hinterzieht, sagt Krombacher. Erst kürzlich ging in Stuttgart ein langes Verfahren gegen die Baumafia zu Ende. Hauptangeklagter war ein Italiener aus der sizilianischen Mafiahochburg Palma di Montechiaro. Nach der Wende war er in Deutschland als Bauunternehmer sehr erfolgreich: Mit seinen Scheinfirmen machte er mit riesigen italienischen Schwarzarbeiterkolonnen innerhalb von zwei bis vier Wochen Millionengewinne. Aber auf dem Papier standen zwei Angestellte. Am Ende des langwierigen Wirtschaftsverfahrens wurde der Mann aus Palma di Montechiaro zu vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrugs. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß und widmet sich dem Immobilienhandel.
    Natürlich weiß der große deutsche Bauunternehmer, der den italienischen Subunternehmer beauftragt, dass dieser die Arbeiten nicht für so wenig Geld ausführen kann. Schon aus dem Grunde, weil die erforderliche Masse Stahl oder Beton einen

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