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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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frischgebackene Senator Di Girolamo wurde in Stuttgart erwartet. Speziell von einem Herrn, der, wie die Fahnder am Telefon mithörten, sich in Stuttgart besonders für ihn eingesetzt haben soll, ein Mann auf derselben Stufe wie Pugliese, nur aus einem anderen Ort – ein Herr, der nach Ansicht der italienischen Staatsanwälte Mario Lavorato war. Der Stuttgarter Prominentenwirt mit den besten Beziehungen zur Baden-Württembergischen CDU und zum ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, dem jetzigen EU-Energiekommissar.
     
    Wir haben schon alles organisiert. Wir feiern in Stuttgart, weil hier der Herr ist, der uns Giovanni geschickt hat, einer der hunderte von Restaurants hat. Tatsächlich hunderte.
    146, um genau zu sein.
    Leck mich am Arsch.
    Und der ist ...
    Also dann hast du alles verstanden. Und deshalb das Ganze. Es würde ihn sehr freuen, auch weil er einer ist, der mit dem Minister unterwegs ist, mit der ganzen Mannschaft von dem ... also wir würden ... es wäre natürlich gut, wenn der Senator dann auch da wäre ... weil ich ... also mehr sage ich nicht.
    Natürlich, absolut!
     
    Die kalabrischen Freunde hatten die Wahlkampagne Di Girolamos nicht nur in Deutschland unterstützt, sondern auch in Holland und Frankreich und Großbritannien.
    »Mein Freund, der Senator«, so begrüßte Pugliese am Tag nach der Wahl den frischgebackenen Senator Di Girolamoam Telefon. Und der bedankte sich bei ihm wortreich: »Du hast mir versprochen, dass ich die Früchte mit den Händen greifen würde – jetzt würde ich sagen, dass wir sie wirklich in den Händen halten. Wir haben eine große Zukunft vor uns.«
    Allerdings nur, insofern der Senator jetzt nicht übermütig würde und nicht vergäße, dass er nichts anderes war als ein Leibeigener der ’Ndrangheta. Daran erinnerte ihn der Boss Mokbel. »Ob du die Kandidatenkrankheit gekriegt hast oder schon die Senatoritis hast, das ist dein Problem, Nicò ... Es ist mir scheißegal, was du sagst, Nicò, selbst wenn du Ministerpräsident wirst, für mich bleibst du immer der Portier, du bleibst immer mein Sklave.«
    Dass der Senator Di Girolamo dank der Stimmen der ’Ndrangheta gewählt worden war, wurde schon bald nach seiner Wahl vermutet. Als die Staatsanwälte einen ersten Haftbefehl gegen ihn ausstellten, lehnte es der römische Senat jedoch ab, seine parlamentarische Immunität aufzuheben. Senator Totò Cuffaro, der wegen Unterstützung der Mafia bereits in zweiter Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilte ehemalige sizilianische Ministerpräsident, fühlte sich damals berufen, ein gutes Wort für Di Girolamo einzulegen. »Hochverehrte Kollegen«, hatte er gerufen, »befragen Sie Ihr Gewissen! Wenn Sie für die Aufhebung stimmen, wird dieser Mann verhaftet!«
    Dazu kam es erst im März 2010. Nachdem der Senat Di Girolamos parlamentarische Immunität aufgehoben hatte, hielt dieser noch eine herzerweichende Rede und wurde von den Kollegen zum Abschied umarmt.
    In Italien fragt man sich: Warum nur er? Und nicht die vielen anderen wegen Begünstigung der Mafia bereits verurteilten Parlamentarier und Senatoren, deren Immunität ungeachtet rechtskräftiger Urteile nicht aufgehoben wurde?Was hat er sich zuschulden kommen lassen, dass ihn seine Parteikollegen und Komplizen so ungerührt fallen ließen? Weil er sich, anders als seine Spießgesellen, erwischen ließ?
    »Ich habe weder die Cosa Nostra noch die ’Ndrangheta in diese Säle geschleust«, sagte Di Girolamo zum Abschied im Senat. Was richtig ist, denn das Einschleusen war auch nicht mehr nötig. Die Mafia benutzt schon lange den Haupteingang.
     
    Nach einer langen Fahrt durch Stuttgarter Senken, die Hänge hinauf und wieder hinab, vorbei an einer Kirche, die aussieht wie ein umgestürzter Vanillepudding, vorbei an Villen, an deren Eingangstoren Adler sitzen, die ihre Schwingen ausbreiten, vorbei an Menschen, die ihre Mülltonnen von innen putzen und vom Bürgersteig Laub blasen, führt mich das Navigationssystem endlich in die Straße, in der sich die Stuttgarter Staatsanwaltschaft befindet. Am Samstagvormittag scheint ganz Deutschland von dem Drang beherrscht zu sein, etwas Nützliches zu tun. Flaschen zum Glascontainer zu bringen, Katzenstreu zu kaufen, die Hecke zu schneiden. Es ist ein Drang, der auch noch in meinen Genen steckt und sofort virulent wird, sobald ich in Deutschland bin. Wenn ich am Samstagmorgen nichts Nützliches vollbringe, fühle ich mich schlecht. Aber nur in Deutschland. In Italien

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