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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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der Deutschen. Ich kann es nicht ertragen, mit welcher Selbstverständlichkeit sich diese Leute hier bewegen können. Die Deutschen waren immer ein Vorbild für uns. Ich hatte gehofft, dass die Deutschen uns Italiener irgendwann im Kampf gegen die Mafia unterstützen würden. Ich hatte gehofft, dass uns Europa retten würde. Aber jetzt habe ich Zweifel. Die Mafia wird auch Deutschland auffressen. Geld stinkt nicht.«
    Von der Isar steigt Nebel auf, und ich beginne zu frösteln.Ich ziehe meine Jacke enger um mich herum und stecke die Hände in die Hosentaschen. Eine Weile laufen wir schweigend nebeneinanderher. Und ich denke daran, dass die Italiener in Deutschland die ersten Opfer der Mafia sind: all jene, die von der Mafia in Deutschland in Geiselhaft genommen werden, all die Gastronomen, die von den Mafiosi gezwungen werden, ihnen für überhöhte Preise Lebensmittel, Weine und Restauranteinrichtungen abzunehmen. Und nicht nur sie, im Grunde sind alle anständigen Italiener Opfer der Mafia – weil die Mafia all jene Werte vereinnahmt und für ihre Zwecke pervertiert, für die Italien in der Welt geliebt wird: die Herzlichkeit, die Großzügigkeit, die Gastfreundschaft, die Menschenfreundlichkeit.
    Giovanni erzählt davon, dass ein paar Kollegen ihn immer mit »Na, du alter Mafioso« begrüßten. Eine Zeit lang habe er das Spiel mitgemacht. Bis er merkte, dass die Deutschen die Mafia und ihre Machenschaften für ein einziges Spiel halten. Als er sie darauf aufmerksam machte, dass die Mafia keine Soap-Opera sei, waren seine Kollegen beleidigt.
    München ist in einer feuchten Nacht versunken, einer Nacht voller Wolken. An einem Taxistand trennen wir uns. »Grüß mir Italien«, sagt Giovanni, als er sich von mir verabschiedet. Und lächelt. Traurig, wie mir scheint.
     
    Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Immerhin. Auch wenn es immer noch zu kalt ist, um das Verdeck zu öffnen. Als ich durch das bayerische Voralpenland fahre, fühle ich Vorfreude auf Italien, genauso wie damals, als wir in dem alten Renault unterwegs waren. Das oberbayerische Voralpenland, ja auch das Allgäu wirken auf mich auf angenehme Weise unwirklich, wie ein fremdes Land mit seinen sorgsam aufgeschichteten Holzstapeln vor den Häusern,mit Geranienwolken und Hirschgeweihen an den Balkons. So wie in Kempten. Wo es aussieht, wie ich mir als Kind eine Stadt gewünscht hätte. Mit einer Barockkirche der Benediktiner, in deren Innern goldene Engelsflügel schimmern. Daneben werden bleiche Heilige mit blutigen Herzen angebetet und die Armen seliggepriesen, deren Reichtum Gott ist. Kempten ist eine Stadt mit rosafarbenen Rokokofassaden, die aussahen wie aus Buttercreme gemacht, mit einem leuchtenden Residenzpalast, der wirkt, als sei er unterwegs gewesen nach Italien und nur durch Zufall hier gelandet, neben einem Allgäuer Brauhaus, das Würste anbietet, die man »Geschwollene« nennt.
    In der Fußgängerzone stehen Damen an den Stehtischen des Lavazzo-Cafés, trinken Espresso und rufen sich zum Abschied ein ciao-ciao zu. Die Bäckerei am Residenzplatz verkauft pane rustico , und über dem Bauerntanzkeller wartete eine Pizzeria auf Gäste. Italien ist in Kempten so allgegenwärtig wie überall in Deutschland.
    In Kempten waren den Ermittlern zuletzt zwei mutmaßliche Mitglieder des aus San Luca stammenden Clans der Pelle-Romeo aufgefallen: Sebastiano Romeo und Bruno Scalia. Ein Clan, der den Kemptener Ermittlern nicht erst seit dem Duisburger Massaker bestens bekannt ist. Die Kemptener Staatsanwälte schafften es, die beiden ’Ndranghetisti Romeo und Scalia mit einem europäischen Haftbefehl 2007 in Italien zu verhaften und nach Deutschland ausliefern zu lassen: wegen Handels mit Kokain und Falschgeld. So müssen sie nun in Deutschland eine Strafe absitzen, die ihnen in Italien aufgrund des letzten Amnestiegesetzes erlassen worden wäre. Pech.
    Sebastiano Romeo hatte die klassische Laufbahn eines Mafiosos in Deutschland eingeschlagen: Zuerst arbeitete er in Duisburg als Pizzabäcker und kaufte dann, miteinundzwanzig Jahren, in Sonthofen eine Pizzeria, für 80 000 Euro. Viel Geld für einen jungen Pizzabäcker, eigentlich. Aber weil wie gesagt in Deutschland nicht der Pizzabäcker nachweisen muss, dass sein Geld aus sauberen Quellen stammt, sondern die Ermittler belegen müssen, dass das Geld illegal erworben wurde, blieb nicht mehr als ein Verdacht.
    Die Kemptener Fahnder ermittelten zwei Jahre lang weiter, sie beschatteten die beiden

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