Von Kamen nach Corleone
schlechtes Wetter, für Krämpfe und Kopfschmerzen, Fußleiden und Epilepsie, kurz: für Italien.
Berlusconi sagt: Ich gebe nicht auf! Und Beppe Grillo sagt: Wir auch nicht! Und das, obwohl er in keiner Fernsehsendung auftaucht, weil er schon lange vor Berlusconis Säuberungswelle aus dem italienischen Fernsehen verbannt wurde. Und selbst für die italienischen Tageszeitungen ist er Persona non grata: Die Berlusconi-Presse verschweigt ihn – und das nicht nur, weil Grillo den Ministerpräsidenten als »Psychozwerg« schmäht – beziehungsweise als » Pädo-Psychozwerg«, nachdem Berlusconis Hang zu Minderjährigen von seiner Ehefrau Veronica bekannt gemacht wurde. Selbst linksdemokratische Blätter wie die Repubblica berichten nur dann zähneknirschend über Grillo,wenn die Millionen Italiener nicht mehr zu verschweigen sind, die bei seinen Protestveranstaltungen die Gleichschaltung der italienischen Medien beklagen oder mit der Aktion »Sauberes Parlament« den Rücktritt der vorbestraften Parlamentarier fordern. Millionen, die alle über Beppe Grillos Blog aktiviert werden, der zu den erfolgreichsten Weblogs der Welt gehört.
Beppe Grillo begann seine Karriere zwar bei der RAI, wurde mit sämtlichen Fernsehpreisen überschüttet und erlangte legendäre Einschaltquoten. Aber als er sich nicht mehr damit begnügte, Sitten und Gebräuche zu verspotten, sondern über die soziale und politische Wirklichkeit Italiens herzog, da wurde er vom inzwischen verblichenen Sozialistenchef Bettino Craxi höchstpersönlich eliminiert. Seither tritt Beppe Grillo nur noch in Theatern auf. Und hält Reden an die Menschheit: »Man kann über Italien keine Satire mehr machen! Meine Show ist reiner Hyperrealismus! Wir werden von Zwergen, Showgirls und Freimaurern regiert! Das Aktfoto unserer Gleichstellungsministerin hängt in den Fahrerhäusern der LKW-Fahrer! Die Situation von Italien ist vergleichbar mit der des Kojoten, der den Road Runner jagt: Er hängt in der Luft und merkt es nicht, weil er nicht nach unten blickt! Wir haben mehr Schulden als Spanien und Griechenland, aber wir tun so, als sähen wir den Abgrund nicht! Das Einzige, was in unserem Land wirklich wächst, ist der Schuldenberg!«
Grillo sprach in Brüssel vor europäischen Parlamentariern über die Macht der Mafiaclans, in deren Taschen die europäischen Fördergelder für Süditalien fließen. Und regel mäßig veranstaltet Grillo seine V-Days, Vaffanculo-Days, Haut-ab-ihr-Ärsche-Tage, bei denen es um Ökonomie und Ökologie geht, um Politik und Konsum und den Fortschritt, der keiner ist. Um Genoveser Pesto, der mitBasilikum aus Vietnam gemacht wird. Um italienische Manager, die Telecom-Aktionäre um ihren Besitz bringen. Um Mafiaclans, die das Wasser privatisieren.
»Ich bin ein Partisan des dritten Weltkriegs«, sagt Grillo, »ich bin ein Partisan des Informationskriegs.« Und so schlachtet er die heiligen Kühe der Linken genau wie die der Rechten, er wähnt die Geheimnisse Italiens im Buckel von Andreotti, er taucht bei Aktionärsversammlungen der Telecom auf, wo er die Kleinaktionäre verteidigt, und verschont nicht mal die italienische Mamma: Mütter, die sich um die Blässe ihrer heranwachsenden Söhne sorgen, werden von Grillo darüber aufgeklärt, dass es sich hierbei um keine Krankheit, sondern um die natürliche Folge von exzessivem Autoerotismus handele.
Beppe Grillo wütet landauf und landab, er trennt auf der Bühne den Müll, jongliert mit Zahlen, Statistiken und Homepages, schreit: »Jetzt habt ihr mich schon wieder fuchtig gemacht!«, obwohl er eigentlich schon längst verstummt sein sollte. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen der italienischen Mächtigen ginge. Die von ihm geschmähten Politiker verklagen ihn reihenweise. Ständig laufen Prozesse gegen ihn, bislang hat er immer gewonnen. Grillos vierzigjähriger Neffe verteidigt ihn. Er wohne zwar immer noch bei seinen Eltern, aber als Anwalt sei er brillant.
Wie die Pi, die berüchtigte italienische Geheimloge Propaganda due, deren prominentestes Mitglied Silvio Berlusconi war, will auch Beppe Grillo den italienischen Staat unterwandern. Seine Freimaurer tragen Wollpullover und Pappen, auf denen Steckbriefe abgebildet sind, Steckbriefe all jener Parlamentarier, die vorbestraft sind und dessen ungeachtet weiterhin als Abgeordnete tätig sind – von Giulio Andreotti über den ehemaligen Außenminister Gianni de Michelis, den Chef der Lega Nord Umberto Bossi bishin zu Marcello dell’Utri,
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