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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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zischt Samuel, der von dem kurzen Fußmarsch schon wieder ganz rot und verschwitzt ist.
    „Das sehen wir selbst!“, zische ich zurück, zum einen, weil ich mich ärgere, dass er es zuerst entdeckt hat, zum anderen, weil ich ihm das schadenfrohe Grinsen noch immer übelnehme.
    „Dann müssen wir warten“, beschließt Lilly und macht es sich im Schneidersatz auf dem Waldboden bequem.
    „Warum?“, fragt Samuel, und dieses Mal bin ich froh, dass er schneller war, denn Lilly verdreht ihre Augen und schüttelt den Kopf, sodass ihre Haare ins Gesicht fallen.
    „Weil das bedeutet, dass Kuckuck Rosenzopf zu Hause ist, du Doofi.“
    „Ja, und?“, reitet sich Samuel noch tiefer rein.
    „Denkst du etwa, er lässt uns einfach so in den geheimen Tunnel?“, fragt Lilly.
    „Warum denn nicht?“
    „Weil wir Kinder sind.“ Sie kämmt ihre Strähnen zurück hinter die großen, abstehenden Ohren, wo sie jedoch nicht lange bleiben. „Und weil du einen … einen triftigen Grund brauchst, um die Grenze zu passieren.“
    „Aber ich habe einen Grund“, sage ich. „Und außerdem bin ich schon groß.“
    Lilly antwortet nicht, und wahrscheinlich ist das auch besser so.
    „Vielleicht ist der Eingang zum Tunnel ja gar nicht im Haus“, sagt Samuel.
    „Der geheime Tunnel liegt unter dem Haus von Kuckuck Rosenzopf“, entgegnet Lilly in einem Ton, der eigentlich keine Widerworte zulässt.
    „Ja, der Tunnel vielleicht – aber was ist mit dem Eingang? Der kann doch auch woanders sein. Irgendwo ums Haus herum oder im Wald vielleicht.“
    „Der Eingang ist ebenfalls im Haus“, erwidert Lilly bestimmt. „Das weiß ich von meinem Vater.“
    Ich überlege. „Aber dein Vater geht doch gar nicht in die Häuser hinein. Er überbringt die Glückwünsche an der Tür und dann verabschiedet er sich. So hat er das jedes Jahr bei uns gemacht.“
    „Bei uns auch!“, bestätigt Samuel.
    „Der Eingang ist im Haus“, wiederholt Lilly, doch es klingt schon nicht mehr so überzeugt.
    „Das kannst du doch gar nicht wissen!“, geht Samuel zum Angriff über. „Woher willst du das denn wissen?“ Er schaut mich an. „Das kann sie doch gar nicht wissen!“
    Lilly antwortet nicht.
    „Lilly“, sage ich und beuge mich zu ihr hinunter. „Wenn wir dem Katzenbaum bis morgen Abend kein Birkenwasser gebracht haben, war alles umsonst.“
    Sie versteckt sich hinter ihren Haaren und kaut auf ihrer Unterlippe.
    „Bist du dir sicher, dass der Eingang im Haus ist?“
    „Bin ich nicht, aber –“, setzt sie an.
    „Wusste ich‘s doch!“, triumphiert Samuel. „Du weißt nämlich auch nicht immer alles!“
    „Darum geht es doch gar nicht!“, fährt Lilly ihn an. „Es ist zu gefährlich, noch tiefer in den Wald zu gehen.“
    „Aber warum?“, frage ich.
    „Wegen der Grenze. Selbst mein Vater hat Angst, tiefer hineinzugehen.“
    „Aber warum?“, frage ich noch mal. „Was ist so gefährlich an der Grenze?“
    „Dodo, das weiß ich doch auch nicht.“ Lilly sieht mich an. „Ich weiß nur, dass es sehr, sehr gefährlich ist. Kannst du mir das nicht einfach glauben?“
    Samuel tippt sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn und streckt seine Zunge raus. Beides traut er sich nur, weil er hinter Lilly steht.
    „Du kannst ja hier warten, wenn du Angst hast, Hasenzahn“, sage ich und knuffe Lilly gegen die Schulter – nicht zu fest, sodass es einen blauen Fleck geben könnte, aber auch nicht zu sanft –, weil es sie immer aufmuntert, wenn ich sie knuffe und Hasenzahn nenne, doch diesmal klappt es nicht. „Wir passen schon auf uns auf.“
    Dann laufe ich einfach los und umkurve die Baumstämme wie Slalomstangen. Nach nicht mal dreißig Bilbog-Ellen schnauft Samuel hinter mir: „Nicht so schnell, Dodo! Warte auf mich“, und ich werde langsamer, weil ich an Lillys Worte denken muss.
    „Ich könnte wetten, dass der Eingang auf der Rückseite liegt“, keucht Samuel und zeigt in die Richtung von Kuckuck Rosenzopfs Haus. Hinter dem kleinen Hügel scheint der Wald zu enden. „Deshalb stehen da auch keine Rirken mehr.“
    „Kann schon sein“, flüstere ich, weil das Haus nun wirklich nicht mehr weit entfernt ist.
    „Ganz bestimmt sogar!“, sagt Samuel und hat es plötzlich sehr eilig. „Aber du musstest ja die ganze Zeit auf Lilly hören!“
    Ich hasse es, wenn er sich wie der Anführer aufspielt, aber wir haben zum Streiten keine Zeit, also zische ich nur so laut ich kann: „Wir sollten trotzdem vorsichtig sein!“, während Samuel zwischen

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