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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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leuchten in meinem Bauch. Mein T-Shirt ist zerrissen. Meine Gliedmaßen seltsam verkrümmt. Sieht ziemlich ungemütlich aus, wie ich da liege. Mein Kopf ist zur Seite abgeknickt. Agerian kniet über mir.
    „Was ist mit ihm?“, höre ich Strom-Tom fragen.
    Agerian betastet meinen zerdrückten Hals, legt sein Ohr an meine Nase.
    „Was ist mit Dodo?“, fragt jetzt auch Strom-Klaus.
    Agerian wischt sich übers Gesicht. Von hier oben sieht es so aus, als würden seine Finger glänzen.
    „Agerian, jetzt sag endlich was!“, schreit Strom-Tom plötzlich, und der Schrei hallt laut von den Wänden wider.
    „Er ist tot“, sagt Agerian, und ich erkenne seine Stimme kaum wieder. Und dann sagt er es noch einmal: „Dodo ist tot.“

    Aber das stimmt doch gar nicht, denke ich. Ich bin doch nur hier oben.

Band 12
    Dodos Ende

Das Ende von Lichtwiese

    „Dodo!“, schnaubt Lilly.
    Es klingt, als hätte ich gerade etwas falsch gemacht, doch ich weiß nicht, was das sein könnte. Ich weiß nicht einmal, wo ich bin. Ich sehe eine Wiese und ein wenig entfernt auf einer Anhöhe ein Wäldchen aus dünnen, astlosen Stämmen. Die Bäume sind so hoch, dass sie wie rosa Striche aussehen.
    „Du hörst mir ja gar nicht richtig zu!“, beschwert sich Lilly.
    Sie starrt mich mit funkelnden Augen an. Neben ihr sehe ich Samuel und Berty Bird, den Vogel mit dem langen Hals, dem Entenkopf und den rot-gelb gepunkteten Adlerschwingen. Ich schaue an mir herunter und sehe kurze Hosen, Schienbeine voller Schrammen und Turnschuhe mit Klettverschlüssen. Ich bin wieder sechs Jahre alt. Meine Überraschung hält sich in Grenzen.
    „Dodo!“, reißt Lilly mich aus meinen Beobachtungen.
    „Doch, doch, ich hab jedes Wort verstanden“, sage ich schnell, weil sie so böse guckt.
    „Was habe ich denn gesagt?“
    „Dass wir … das …“ Ich wische über mein Gesicht. Meine Wangen werden plötzlich ganz warm. „Dass wir uns beeilen sollten?“
    Samuel grinst schadenfroh und hat sichtlich Mühe, nicht laut loszulachen.
    „Nein, Dodo“, sagt Lilly und ihre Ohren wackeln dabei angriffslustig. „Ich habe gesagt, dass Berty Bird uns morgen um dieselbe Zeit hier wieder abholen wird.“
    „Hat sie gesagt, hat sie gesagt“, plappert der große Vogel ihr nach.
    „Für den Fall, dass er den Pfiff nicht hört“, fährt Lilly fort.
    „Hört er schon, hört er schon, hört alles!“, versichert Berty Bird und wackelt so schnell mit seinem Entenschnabel, dass mir schwindelig wird, und ich frage mich, ob er als Küken vielleicht in eine Schale mit Jallajalla-Tee gefallen ist. Das würde zumindest seine Unruhe erklären.
    „Trotzdem“, sagt Lilly. „Sicher ist sicher.“
    „Ja, ja, sicher ist sicher und doppelt hält besser, man weiß ja nie“, bestätigt der Vogel, reckt den Kopf in die Höhe und stößt vor lauter Aufregung einen langen, spitzen Schrei aus.
    Samuel zuckt erschrocken zusammen und hört endlich auf zu grinsen.
    „Psst!“, macht Lilly. „Nicht so laut!“
    „Nicht so laut, nicht so laut, ganz leise“, wispert Berty Bird.
    „Ganz ruhig“, sage ich und will seinen Hals streicheln, doch er weicht aus.
    „Ich bin doch ganz ruhig“, entgegnet er. „Völlig ruhig, absolut ruhig, ruhiger kannst du gar nicht sein!“
    „Und bitte schrei nicht, wenn du wegfliegst“, sagt Lilly. „Es darf niemand wissen, dass wir hier sind. Verstehst du?“
    „Klarklar, ich verstehe alles, kein Problem, überhaupt kein Problem.“
    „Gutgut, dann bis Morgen.“
    „Morgen um dieselbe Zeit! Ich werde da sein, keine Sorge, absolut zuverlässig“, bestätigt Berty Bird, breitet seine Flügel aus und schwingt sich mit einigen mächtigen Schlägen empor. Er fliegt wie eine ganz normale Mischung aus Ente und Adler. Nur sein Schnabel ist unablässig in Bewegung, so als führe er Selbstgespräche.
    „Kuckuck Rosenzopf lebt in dem Rirken-Wäldchen“, sagt Lilly und zeigt auf die dünnen, rosafarbenen Bäume. „Aber seid vorsichtig! Die Grenze verläuft direkt durch den Wald.“
    Ich nicke, obwohl ich nicht den blassesten Schimmer habe, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
    Nacheinander schlängeln wir uns zwischen den dicht beinanderstehenden Baumstämmen hindurch. Erst Lilly, dann ich, dann Samuel.
    „Da ist es“, sagt Lilly nach einer Weile und bleibt stehen.
    Das Haus steht auf einem kleinen Hügel und ist alt und windschief. Auf dem Spitzdach fehlen Dutzende von Schindeln. Der Schornstein hat die Form eines S.
    „Da kommt Rauch raus!“,

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