Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
Sträucher. Die Karawane hielt. Ich schaute mich um, konnte aus meiner Position aber nichts Besonderes entdecken.
„Was ist los?“, rief ich in Agerians Richtung.
„Wir haben unser Ziel erreicht.“
Die Reiter stiegen von ihren Kamelen. Hier und da wurde leise gesprochen.
„Was ist denn unser Ziel?“, fragte ich und hatte eine unbestimmte Vorahnung, dass mir die Antwort nicht gefallen würde. Tat sie dann auch nicht.
„Die Platinensümpfe“, sagte Agerian.
Wie zur Bestätigung erklang hinter uns ein nasses Klatschen, als sei gerade eine riesige Seifenblase geplatzt.
Die Platinensümpfe, dachte ich, jetzt werde ich sie also doch noch zu Gesicht bekommen. Das musste so etwas wie Schicksal sein. Ich dachte an Strom-Tom und spürte, wie sehr ich ihn vermisste.
Wir wurden von den Kamelen gezogen und zum Ufer der schwarz schimmernden Sümpfe getragen, die sich wie ein Meer aus Öl vor uns ausbreiteten. Überall auf der Oberfläche blubberte es, als würden irgendwo in der Tiefe riesige Fische atmen. Bashshar nahm uns die Fesseln ab. Er lächelte noch immer. Ich hätte ihm gerne seine Nase verbogen.
Vier Beduinen schleppten einen Monitor von der Größe einer Tischtennisplatte heran und verlegten gelb leuchtende Kabel. Am Gehäuse blinkte kurz ein Licht auf, dann erschien König Hatim überlebensgroß auf dem Bildschirm. Er saß noch immer auf seinem Kissenberg.
„Habt keine Angst! Heute ist ein großer Tag für euch! Ihr opfert euch, auf dass der herrliche Zaimzaki unser Volk beschützen wird.“
„Ich will nach Hause!“, schrie ich, so laut ich konnte. „Nach Hause, zu meiner Omi! Hört ihr? Ich will Rasenmähen und Müll rausbringen!“
„Dem Ersten gebührt der Ruhm, auch wenn seine Nachfolger es besser machen werden“, verkündete König Hatim und strich zufrieden durch seinen Vollbart. „Vollendet es!“
Diesen poetischen Worten nicht ganz angemessen, stießen mich zwei kräftige Arme einfach plump in den schwarzen Schlamm, welcher die Konsistenz von Eierpfannkuchenteig besaß. Augenblicklich versank ich bis zur Hüfte. Hilflos ruderte ich mit den Armen und strampelte mit den Beinen, was mein Sinken jedoch nur noch beschleunigte. Am Ufer wehrte sich Agerian nach Leibeskräften, doch es waren einfach zu viele Arme, die ihn in die Luft stemmten. Dann erstarrte die Szenerie auf einmal, als habe jemand die Pause-Taste gedrückt. Agerian plumpste zwischen den Beduinen auf den Boden, welche jetzt allesamt gebannt zu einer der Hügelketten hinaufglotzten. Ich war so irritiert, dass ich für einen Moment sogar das Rudern und Strampeln vergaß. Auf dem Hügelkamm erschien ein großer, quadratischer Schatten. Ein zweiter, dritter und vierter gesellte sich dazu. Plötzlich flammte ein rotes Licht auf, schoss hinunter ins Tal und setzte alle Sträucher im Umkreis von zwanzig Metern in Brand. Die Beduinen stoben auseinander, sprangen auf ihre Kamele, stießen zornige R-Laute aus und ritten davon. Die Schatten, die bei näherer Betrachtung frappierende Ähnlichkeit mit Panzern besaßen, rollten den Abhang hinunter und nahmen die Verfolgung auf, während sie rote Laser in die Nacht schossen. Ich sah ihnen nach und versank bis zu den Achselhöhlen.
„Nicht bewegen!“, rief Agerian und kam durch den Sumpf näher gewatet. „Ich zieh dich raus!“
„Nein, bleib da! Wir versinken sonst beide!“
„Halt dich fest!“ Agerian streckte mir seine Hand entgegen.
Ich griff danach, doch Agerian hatte sich schon zu weit vorgewagt. Der Sumpf zog uns beide hinab. Mein Kinn versank, dann mein Mund. Blasen zerplatzten, und ölig schwarzer Pfannkuchenteig spritzte mir ins Gesicht. Plötzlich spürte ich an meinen Füßen einen Sog. Dann riss es mich abrupt in die Tiefe. Teig schwappte in meine Nasenlöcher, bedeckte mein Gesicht und verschwand gleich darauf wieder. Ich spuckte und prustete, doch ich konnte atmen. Ich befand mich nicht mehr im Sumpf, ich rutschte auf etwas hinab. Mein Magen fühlte sich an, als säße ich in einer Achterbahn. Hektisch wischte ich meine Augen frei. Stahl raste direkt vor meinem Gesicht entlang. Ich befand mich in einer schmalen Röhre. Die Fahrt wurde immer schneller, dann verschwand auch der Stahl, ich landete unsanft auf Steinboden und überschlug mich etwa ein Dutzend Mal. Agerian kam direkt hinter mir aus der Röhre gepfeffert und schoss mich wie eine Billardkugel davon, was weitere Überschläge mit sich brachte.
Es dauerte einige Zeit, bis ich zu etwas anderem fähig war, als
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