Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
gewonnen.“
„Das alles hier“, entgegnete Agerian. Er sah tatsächlich besorgt aus. „Hast du dich mal gefragt, warum wir überhaupt in Las Voltas sind?“
Ich überlegte. „Weil der Zug nicht vorher angehalten hat.“
Agerian nickte. „Ganz genau. Jemand wollte, dass wir hierherkommen. Derselbe Jemand, der dafür gesorgt hat, dass der Wüstenwurm genau in dem Augenblick losfuhr, als wir dabei waren, Elenor zu befreien.“
„Wer soll das denn gewesen sein?“
„Denk mal drüber nach“, flüsterte Agerian.
Ich tat es. „Du meinst doch nicht etwa, dass mein Postbote etwas damit zu tun hat, oder?“, fragte ich einige Schritte später. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Warum sollte denn Herr Langlöffler –“
Der Gang endete direkt hinter einem Knick an einer Milchglasscheibe. Mein Gesicht prallte von fliederfarbener Baumwolle ab, und ich stieß einen überraschten Schrei aus. Gio-Gio ließ sich von beidem nicht stören und verkündete: „Sind da.“
Er klatschte seine Pranken gegen das Milchglas. Die Scheibe verschwand mit einem Seufzen im Boden und gab den Blick auf eine Halle frei, die einer römischen Gladiatoren-Arena nicht unähnlich war. Nur das Publikum, welches in Shorts, bunten T-Shirts und Baseballmützen die Tribünen bevölkerte, wollte nicht so recht ins Bild passen. Wie auf ein geheimes Zeichen hin verstummten alle und schauten zu uns hinunter.
„Wo … wo sind wir?“, fragte ich.
„Du wolltest doch spielen“, grunzte Gio-Gio und streckte mir seine Handfläche entgegen. „Deinen Einsatz.“
Elenor öffnete den Stoffbeutel und zählte Spielchips ab. In Gio-Gios Hand sahen sie wie Hemdsknöpfe aus. In der Halle setzte inzwischen Applaus ein.
„Ich weiß nicht so recht“, sagte ich.
„Du musst gewinnen!“, beschwor mich Elenor.
„Wir sollten gehen“, flüsterte Agerian.
Ich überlegte.
Ein metallisch glänzender Kasten von der Größe eines Wohnwagens rollte in die Mitte der Arena und blieb dort stehen. Die Menge johlte und schwenkte große Plastikbecher.
„Was ist das?“, fragte ich.
Gio-Gio antwortete nicht.
Zwei kräftige Stahlbeine klappten aus dem Kasten heraus und stemmten ihn hydraulisch schnaufend in die Höhe. Es folgten die Arme, dann ein Kopf. Bei jeder Transformation wurden die Jubelrufe des Publikums lauter.
„Der hat ja eine Augenklappe!“, bemerkte Agerian erschrocken.
Es war ein glänzender, einfamilienhaushoher Roboter. Mit Augenklappe.
„Ist ja auch ein Bandit“, entgegnete Gio-Gio in einem Tonfall, als hätten wir diesen Zusammenhang durchaus selbst erkennen können.
„Sein linker Arm …“, stieß ich hervor. „Guckt doch mal! Das ist gar kein Arm, sondern eine Kettensäge!“
„Deshalb nennt man ihn ja auch einarmig“, grunzte Gio-Gio und ließ keinen Zweifel daran, dass er uns als reichlich begriffsstutzig abgestempelt hatte.
„Was muss Dodo machen, um zu gewinnen?“, fragte Elenor voller Vorfreude. Entweder waren ihre Augen wesentlich schlechter als unsere, oder sie war sich nicht bewusst, welche Gefahr von einem vier Meter großen Roboter mit Kettensäge ausging.
„Ganz einfach“, antwortete Gio-Gio. „Er muss das Herz des Einarmigen Banditen rausreißen.“
„Das Herz?!“, fragten wir alle drei auf einmal. Einzig Elenor klang irgendwie begeistert darüber.
„Das nennen die nur so“, erklärte Gio-Gio. Er sprach so deutlich, wie es seine Lippen zuließen. Als würde er mit kleinen Kindern sprechen. „Um es fürs Publikum interessanter zu machen. In Wirklichkeit ist es nur der Akku-Block. Wenn du es schaffst, die beiden Kabel rauszuziehen, hast du gewonnen. Hat bislang aber noch nie jemand geschafft.“
„Ich … ich kenn das Spiel irgendwie anders“, stotterte ich.
„Los, Dodo!“, rief Elenor. „Reiß ihm sein Herz raus!“ Sie begann, aufgeregt auf- und abzuspringen. „Herz raus, Herz raus, Herz raus!“
„Ich glaube … ich glaube, das ist doch kein Spiel für mich“, sagte ich. „Vielleicht versuch‘s ich doch lieber mit dem Todeswürfel.“
„Du kannst machen, was du willst“, knurrte Gio-Gio und beugte sich so tief zu mir hinunter, dass er beim Versuch, mich weiterhin anzuglotzen, zu schielen begann. „Aber wenn du ernsthafte, persönliche Spannungen vermeiden möchtest, fang keine neuen Projekte an, bevor du mit den alten up to par bist.“
„Was?“ Ich spürte, wie ich zu zittern anfing. „Was …? Ich weiß … ich weiß noch nicht mal, was das heißt!“
„Das heißt, was es
Weitere Kostenlose Bücher