Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
zwinkerte und blinzelte, bis sich Umrisse aus dem grellen Weiß schälten. Eine Menschenmenge stand johlend hinter rotem Absperrband und winkte uns zu. Der Spielmannszug befand sich auf einer kleinen Tribüne und bestand aus lilafarbenen Wesen in schwarzen Smokings. Besonders der zweiköpfige Trompeter spielte voller Inbrunst.
„Sind die alle wegen uns da?“, fragte ich.
„Auf jeden Fall!“, entgegnete Elenor und winkte der Menschenmenge zurück. „Ist ja niemand anderes ausgestiegen.“
Mit leichter Verspätung, dafür aber umso entschlossener, reagierte der Rest meines Körpers auf die neue Umgebung. „Aber was … was wollen die von uns?“, fragte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
„Die freuen sich, uns zu sehen“, sagte Elenor, als sei sie nichts anderes gewohnt. „„Das nenne ich mal eine Begrüßung! Wink doch auch mal, Dodo!“
„Mir gefällt das nicht“, sagte Agerian.
„Mir irgendwie auch nicht“, sagte ich.
Elenor begann auf- und abzuspringen und dabei „Hey!“, „Hallo!“ und „Huhu!“ zu rufen.
Zwischen Menschenmenge und Tribüne kam ein kleiner Mann in einem eleganten Dreireiher auf uns zu. Sein schwarz glänzendes Haar klebte der Länge nach an einem erstaunlich großen Kopf. Mit einer kurzen Handbewegung ließ er den Spielmannszug verstummen. Auch die Jubelschreie und der Applaus verebbten augenblicklich.
„Willkommen!“, rief der kleine, glänzende Mann, als er noch einige Schritte entfernt war. „Willkommen in Las Voltas! Ich bin der Bürgermeister dieser Stadt.“
Aus der Nähe betrachtet, war er sogar noch kleiner. Trotzdem kam es mir vor, als müsse ich zu ihm aufschauen. Wahrscheinlich gibt es hier ein starkes Gefälle, dachte ich, wusste aber zugleich, dass das physikalisch keinen Sinn ergab. Die Hitze machte mir wirklich zu schaffen.
„Es freut mich sehr, dass ihr den Weg zu uns gefunden habt!“ Seine Augen erinnerten mich an meinen letzen Besuch in Meyers Tierhandlung, genauer gesagt, an die pechschwarzen pupillenlosen Augen der Eidechsen. Ein Schauer durchfuhr mich und ich senkte meinen Blick bis zur Krawatte, auf der zwei große Spielwürfel abgebildet waren. „Ich heiße Ed Mac Check. Meine guten Freunde nennen mich Vinnie. Da ihr jedoch noch nicht zu meinen guten Freunden zählt, bleibt besser bei Mr. Mac Check.“
Er lächelte und präsentierte zwei Reihen großer, makellos weißer Zähne. Die Eidechse verwandelte sich kurzzeitig in einen Piranha.
„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Mac Check“, sagte Elenor, legte den Kopf schief und kicherte wie ein aufgeregtes Schulmädchen.
„Noch viel mehr freut es mich, Sie kennenzulernen, Miss …?“
„Elenor“, sagte Elenor und kicherte wieder.
„Miss Elenor“, hauchte Mac Check, griff nach ihrer Hand und küsste sie. Vor meinem inneren Auge schleckte ein Leguan einen Stein ab. „Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie heute die 20. Besucherin unserer schönen Stadt sind.“
„Oh wirklich?“ Aufgeregt wedelte sich Elenor mit ihrer freien Hand Luft zu. „Heißt das, ich habe etwas gewonnen?“
„Leider nein.“ Mac Check ließ ihre Hand fallen, wie eine gebrauchte Serviette und wandte sich mit einem breiten Grinsen mir zu. Unwillkürlich wich ich ein Stück zurück. „Denn dieser junge Mann hier“, fuhr Mac Check fort, „ist der 21. Besucher heute!“
„Was … was genau bedeutet das?“, fragte ich und hoffte, dass es keine Umarmung oder Schlimmeres zur Folge hatte.
„21 ist die Glückszahl von Las Voltas!“, verkündete Mac Check und geriet ins Schwärmen. „21 … das ist 17 und 4 … 19 und 2 … 14 und 7 …“
„18 und 3“, ergänzte ich.
„Korrekt.“ Seine Augen strahlten mich an. Voller Vorfreude leckte er sich über die Zähne. Wie eine Hyäne, die eine lahmende Gazelle in die Enge getrieben hatte. „21 ist Blackjack!“ Ohne mich aus den Augen zu lassen, fragte er: „Gio-Gio?“
Eine Schrankwand, die in einem viel zu kleinen, fliederfarbenen Sakko steckte, hatte sich unbemerkt hinter dem Bürgermeister aufgebaut. Aus den Ärmeln ragten baumstammdicke, beharrte Unterarm heraus, die in fleischplattengroßen Händen endeten. Von einer der Hände baumelte ein schwarzer Stoffbeutel herab.
„Hier drin“, Mac Check zeigte auf den Beutel, „befinden sich 5.555 Voltadollars!“ Er warf einen Blick in die Runde. Wahrscheinlich suchte er nach begeisterten Gesichtern. „Es liegt an euch, den Gewinn zu verdoppeln. Oder sogar zu
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