Von Liebe und Gift
sein Gesicht. „Meinst du?“
„Natürlich“, bestätigte Gero. Er schmiegte sich dichter an seinen Freund, ohne ihn fest zu berühren. „Hauptsache, wir sind zusammen, oder? Ganz nah … nur wir beide.“
„Na ja, wenn du meinst“, sagte Neal, während er weiterhin an die Decke starrte und trotzdem ziemlich unzufrieden wirkte. „Ich kenne so etwas nur nicht von mir“, gab er zu verstehen. „Ich konnte sonst immer, hatte immer Lust … und nun?“
Er schüttelte den Kopf, als könne er sich und seinen Körper einfach nicht begreifen.
„Das ist sicher nur vorübergehend“, lenkte Gero ein. „Weil du so geschwächt bist.“
Er küsste Neal auf die Wange und den Hals, woraufhin der zu schmunzeln begann.
„Es wird sicher auch wieder anders kommen …“
Es war zwei Tage später, als Gero in Francis’ Wohnung trat, in der Hoffnung, dort Neal anzutreffen. Gero hatte tatsächlich einen Therapieplatz an seiner Klinik bekommen. Die Freude darüber war ihm ins Gesicht geschrieben, aber seine gute Laune verflog, als er mit Francis ins Gespräch kam.
„Ist Neal noch nicht da?“, fragte Gero erstaunt, als er bemerkte, dass nichts darauf hinwies, dass sein Freund aus England zurück war. „Oder ist er bei sich zu Hause?“
Francis schüttelte den Kopf. „Nein, er kommt erst morgen wieder.“
Da ließ Gero die Schultern hängen. Er hatte eine kleine Tüte mit Marzipanherzen bei sich, die er enttäuscht auf den Küchentisch legte. „Morgen erst, wieso?“
„Neal war einfach noch nicht wieder fit für den Rückflug“, erklärte Francis, als sei es etwas ganz normales. Aber sie drehte sich um, öffnete den Kühlschrank, um sich etwas zu trinken zu nehmen. Sie konnte Geros fragenden Blick nicht standhalten. Der hakte auch sofort nach.
„Wieso ist er nicht fit? War es so anstrengend? Ein einziges Konzert?“ Er runzelte die Stirn.
Francis drehte sich wieder um. Es hatte keinen Sinn, vor Gero etwas zu verschweigen.
„Matt hat vorhin angerufen, der Bassist“, berichtete sie. „Neal ist gestern nach dem Konzert zusammengebrochen …“ Weiter kam sie nicht. Sofort geriet Gero in Panik.
„Wie? Wieso?“, rief er aufgebracht. „Nein!“
Francis kam auf ihn zu und umarmte ihn sanft. „Es ist halb so wild“, sagte sie. „Es war ein kleiner Kreislaufzusammenbruch. Es geht ihm schon wieder besser. Er wird morgen gleich die erste Maschine nehmen und zurückkommen. – Weitere Konzerte haben sie vorerst abgesagt.“
Gero löste sich von ihr. Betroffen nahm er auf dem Stuhl Platz.
„Kreislaufzusammenbruch“, faselte er leise, „damit ist nicht zu spaßen.“ Traurig sah er Francis an. „Sicher hat er sich zuviel zugemutet. Das musste ja so kommen! Er ist viel zu schwach für solche Aktionen!“
Francis nickte. „Ja, er muss wirklich alles gegeben haben. Matt sagt, es war ein tolles Konzert, doch als Neal die Bühne verließ, ist er einfach zusammengeklappt. Eine Zugabe konnten sie nicht mehr geben.“
Gero hörte gebannt zu. Es schien, als würde er sich das Ganze bildlich vorstellen.
„Das muss furchtbar sein, wenn man merkt, dass einen der eigene Körper in Stich lässt, oder? – Die Musik, die Konzerte, das war Neal immer so wichtig … Es muss eine große Niederlage für ihn sein.“
Gero sah auf die Marzipanherzen und nahm sie wieder an sich. „Na ja, vielleicht zeigt ihm das endlich, dass er mit den Drogen aufhören muss.“ Er erhob sich, und mit einem Mal schlich sich das Lächeln zurück auf sein Gesicht, als er berichtete: „Ich habe einen neuen Therapieplatz für ihn. Diesmal wird es klappen, bestimmt. Da bin ich mir sicher.“
Gero fiel ein großer Stein vom Herzen, als er Neal am Flughafen zwischen den anderen Passagieren erblickte. Er beschleunigte sofort sein Tempo, um seinen Freund zu umarmen.
„Oh, Neal, bin ich froh, dass du heil wieder da bist“, sagte er. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Geht es dir wieder besser?“
„Geht so“, erwiderte Neal kurz angebunden. Er war blass. Seine von dunklen Schatten umgebenen Augen verbarg er hinter einer dunklen Sonnenbrille. Er war dunkel gekleidet, was seine Figur besonders schmal aussehen ließ.
„Komm! Ich nehme die Tasche!“, sagte Gero. Er griff nach dem Handgepäck, fasste Neal am Arm und lotste ihn zum Ausgang. „Ich parke direkt vor der Tür. Wir müssen nicht weit laufen.“
„Fine“, entwich es Neal leise. Tatsächlich war er froh, dass er nicht weit laufen musste. Die Anstrengung
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