Von Liebe und Gift
dem Fernseher, als Thilo zu ihm ins Wohnzimmer trat.
„Na, gibt es was gutes in der Glotze?“
Gero zuckte mit den Schultern.
„Wo ist denn dein Lover?“, hakte Thilo nach, als er sich mit auf das Sofa setzte und automatisch zu den Chips griff.
„Er zieht um den Block - mit Freunden“, berichtete Gero.
Da hob Thilo die Augenbrauen. „Und dann nimmt er dich nicht mit?“
Gero schüttelte den Kopf, sah dabei weiterhin stur zum Fernseher. „Ich muss doch morgen früh raus.“
„Aha.“ Thilo lehnte sich zurück. „Wenn das der einzige Grund ist …“
Da drehte Gero seinen Kopf. „Was meinst du?“
„Neal ist ’ne Koksnase, das ist der Haken“, erklärte Thilo. „Wenn er sich mit Kokain dicht knallt, dann störst du nur.“
Empört richtete sich Gero auf. „Neal tut so etwas nicht mehr! Er hat aufgehört damit!“
„Und du glaubst ihm das?“ Thilos Blick war prüfend.
„Natürlich, wieso nicht?“
Thilo schüttelte den Kopf. „Bei Drogen muss man aufpassen. Und auch Neal ist in solchen Dingen eiskalt. Er hat mir auch schon mal versprochen, damit aufzuhören. Bevor er zurück nach London gegangen ist. Da hat die ganze Scheiße doch angefangen.“ Er seufzte tief. „Das ist ein dreiviertel Jahr her. Hat sich was getan seitdem? Nein!“
Nur ungern dachte er an die Szene zurück, die Neal völlig bedröhnt auf Geros Party zeigte. Neal hatte sein Wort nicht gehalten.
„Ich mag ihn wirklich gerne“, fügte Thilo hinzu. „Er ist mein bester Freund. Aber bei Drogen, da ist Schluss. Da muss man aufpassen. Da darfst du dich auf niemanden verlassen.“
Gero stellte den Fernseher leiser. Mit einem Mal war er sehr betrübt.
„Hast du mit Francis darüber gesprochen?“, fragte er direkt. „Wollt ihr euch beide in mein Leben einmischen? Könnt ihr Neal und mich nicht in Ruhe lassen mit euren klugen Ratschlägen? Glaubt ihm doch, dass er aufhören will. Man muss an ihn glauben!“
„Tss!“ Thilo konnte nur erneut mit dem Kopf schütteln. Er konnte nicht begreifen, wie naiv Gero an die Sache heranging. „Mach, was du willst“, sagte er schließlich. „Ich will dich ja auch nur warnen. Wenn das so weitergeht, wirst du dich nämlich vollkommen von Neal einlullen lassen. Und wenn du aufwachst, ist alles zu spät.“
X.
… Neal hatte als einziger der Band länger im Tonstudio gesessen als sonst. Inzwischen war er alleine, die Nacht längst angebrochen. Seine Augen waren schwer geworden. Der Kaffee brachte nicht mehr die gewünschte Wirkung. Zwischen Notenblättern und Songtexten schnupfte er das weiße Pulver, als wäre es das natürlichste der Welt.
Entspannt lehnte er sich in den Sitz zurück. Und als wenige Minuten später eine ungewöhnliche Wachsamkeit seinen müden Geist bezwang, stand er wieder auf, steckte sich eine Zigarette an und beschloss noch in einen der vielen Clubs um die Ecke zu gehen.
Hier in London herrschte ein anderes Leben. Hier war er frei und doch so gefangen in seiner Einsamkeit. Als er das Studio verließ und auf die Straße trat, dachte er an Gero und Francis. Der Schmerz ihrer Trennung saß tief. Aber er wollte die Pein nicht zulassen, er durfte es nicht.
Kaum war er wenige Schritte gegangen, fasste ihn jemand an die Schulter. Neal drehte sich und sah Dirk.
„Ich dachte, du kommst gar nicht mehr raus heute“, sagte der.
Perplex schüttelte Neal den Kopf. Er fuhr sich über die Nase. Er bekam kaum Luft. Seine Schleimhäute waren am Morgen erheblich angeschwollen gewesen. Er hatte Nasenbluten gehabt.
„Woher weißt du, dass ich hier bin?“, fragte er.
Dirk hob die Schultern leicht an. „Du hast mir erzählt, wo ihr arbeitet.“
Neal nickte still. Daran konnte er sich überhaupt nicht mehr erinnern. Überhaupt kam ihm die ganze Szene plötzlich irreal vor. Die Straßen glänzten nass. Die Londoner Taxis, die vorbeifuhren, häuften sich wieder um diese Uhrzeit. Es war kalt. Und er stand hier auf dem Gehweg mit Dirk!?
„Was willst du denn?“, fragte Neal. Hastig zog er an seiner Zigarette. Er war rastlos. Er wollte in einen dieser Clubs. Er fuhr sich wieder über die Nase. Er war wach, doch seine Augen immer noch schwer.
„Ich wollte dich einfach noch mal treffen“, erklärte Dirk. „Wo wir uns nach so langer Zeit endlich mal wieder gesehen haben.“
Neal antwortete nicht. Es war, als interessierte ihn das alles nicht. Dirk musterte ihn gründlich, das war ihm allerdings nicht entgangen.
„Willst du noch irgendwohin?“
„Mmh,
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