Von Liebe und Gift
noch tanzen gehen oder so … was trinken …“
Neal sah sich wieder um. Am liebsten wäre er losgegangen. Er hätte Dirk am liebsten stehen gelassen. Was wollte der denn? Überhaupt, warum mussten sie sich hier treffen? Hier in London, wie absurd alles war …
„Du bist ja total nervös …“, stellte Dirk fest. Seine Stirn legte sich in Falten.
Da wurden Neals Augen groß. Seine Lider waren geschwollen, rot, und sie schmerzten „Ja, findest du?“
Dirk nickte. Er dachte an früher. Er dachte daran, wie Neal damals war. Damals, als sie noch ein Paar waren.
„Hast du etwa Drogen genommen?“, fragte er direkt.
Neal saß in Francis’ Wohnung am Küchentisch, als er an all das zurückdachte. Es war eine lausige Nacht gewesen. Er hatte nicht gewusst, was er tat. Die Tatsache, dass Dirk vor dem Studio auf ihn gewartet hatte, hatte ihn noch mehr verwirrt. Sie waren in einen dieser Clubs gegangen, hatten getrunken, getanzt.
Zu einem späteren Zeitpunkt hatte Neal zugegeben, regelmäßig Kokain zu konsumieren. Dirk reagierte geschockt, besorgt. Ganz anders, als damals, als sie zusammen waren. Dirk war inzwischen so vernünftig, geordnet, ein Geschäftsmann, der eine eigene Firma in L.A. führte. Ein Mann, der mitten im Leben stand, der den Kampf gegen eine heimtückische Psychose gewonnen hatte. Ein Mann, der nach Jahren seine große Liebe wieder traf. Doch die Liebe war erloschen. Neal fühlte nichts mehr. Er brachte nicht einmal die Kraft auf, seinen Ex- Freund für sein damaliges Verhalten zu tadeln.
Sie sprachen sich nicht wirklich aus. Sie verbrachten den Abend zusammen, als wäre es eine Berufung. Erst früh am Morgen verließen sie den Club. Auf dem Weg zum Hotel war Neal schlecht geworden. Er hatte auf die Straße gekotzt und musste von Dirk gestützt werden.
Im Hotel hatte Neal geduscht, sich frisch angezogen. Dirk hatte Kaffee bestellt. Als sie zusammen auf dem Bett gesessen hatten und der Morgen begann, hatten sie sich geküsst …
Nun war eine ganze Zeit seitdem vergangen. Doch die Erinnerungen waren noch da. Sie zerrten an Neals Nerven.
Selbst das Ticken der Uhr schien ihn jetzt wahnsinnig zu machen, ebenso die bedrohliche Stille, die ihn umgab. Er war alleine und erneut ins Grübeln geraten. Der Zustand ungeklärter Gedanken und Sorgen wollte einfach nicht aufhören. Er hatte ein paar Tabletten eingenommen, doch die brachten nicht die gewünschte Wirkung. Vor ihm stand eine Flasche Bier, dabei war es erst später Mittag.
Noch einmal dachte er an das, was er in einem von Geros Medizinbüchern gelesen hatte.
Wie unter Zwang packte Neal schließlich das kleine Päckchen aus, welches er vor kurzem von Sam erstanden hatte. Mit zittrigen Händen bröselte er etwas von dem bräunlichen Pulver auf einen Löffel, fügte ein wenig Wasser und wenige Tropfen einer Zitronenscheibe hinzu und erhitzte es über einer Kerze. Fasziniert sah er zu, wie sich eine klare, braune Flüssigkeit daraus ergab, die er anschließend mit einer kleinen Spritze aufzog.
Dass das so leicht ging … Neugierig betrachtete er die Spritze von allen Seiten. Sollte er es wagen? Nur ein Mal? Nur mal ausprobieren …
Vielleicht würde er davon ruhig werden, glücklich. Vielleicht wäre dann der Drang nach Koks nicht mehr so stark? Vielleicht könnte er dann endlich damit aufhören, wie geplant?
Er legte die Spritze auf den Tisch, stand auf, um eine Zigarette zu rauchen. Doch je mehr er Abstand von der Spritze nahm, umso mehr schienen ihn seine trüben Gedanken wieder einzuholen. Fest entschlossen drückte er die Zigarette wieder aus, setzte sich an den Tisch, band sich den Arm mit einem Lederriemen ab und wartete, bis seine Venen gut sichtbar hervortraten. Nun musste er lächeln. Wie dämlich, sich selbst zu spritzen … Aber er wagte es. Und als er die Flüssigkeit in die Vene injizierte, stockte ihm fast der Atem. Hitze schoss durch seinen Körper. Er löste den Riemen, entfernte die Spritze, doch zu mehr war er nicht mehr fähig. Ihm wurde schwindelig. Er fühlte sich gut, fast zu gut. Eine beklemmende Losgelöstheit suchte ihn heim. Ein Zustand, der ihn kaum denken lassen konnte, der kaum zu ertragen war …
Francis, Gero und Nicholas kamen vom Einkaufen. Sie bemerkten Neals Anwesenheit zuerst nicht, erst als der kleine Nicholas in die Küche trat und hysterisch zu schreien begann:
„Papi! Nein!“
Sofort ließ Gero die Einkaufstüten los. Ebenfalls in der Küche angekommen, sah er auf den Tisch,
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