Von Liebe und Gift
Schulter spürte, die ihn streichelte und zu beruhigen versuchte. Neal schmiegte sich an ihn. Er nahm ihn in die Arme, wie ein kleines Kind und drückte ihn fest …
V .
„Lass mich!“, schrie Neal gereizt. Er hastete die letzten Stufen der Treppe hoch und ließ sich dramatisch auf den Boden fallen – mit dem Gesicht zur Wand.
„Mensch, pass doch auf!“, schrie Dirk zurück. „Du schlägst dir noch den Kopf auf!“
„Wäre vielleicht besser so“, zischte Neal bissig. Er fuhr sich über das Gesicht. Die ganze Aufregung zerrte an seinen Nerven.
Dirk seufzte. Er wollte nicht weiter schreien. „Was redest du denn da?“, sagte er demzufolge einfühlsam. Er kam näher. „Nun steh auf und komm mit. Wenn wir uns beeilen, dann schaffen wir den Termin vielleicht noch.“
Aber Neal schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich geh da nicht hin!“ Er kam mühselig wieder auf die Beine. Nervös durchsuchte er seine Hosentaschen nach dem Schlüssel.
„Du hast es mir gestern versprochen“, hörte er Dirk eindringlich sagen.
„Heute ist nicht gestern“, konterte Neal. Er hatte den Schlüssel gefunden und wandte sich Francis’ Wohnungstür zu.
„Du kommst jetzt gefälligst mit!“, forderte Dirk wieder energisch. Er fasste Neal fest am Arm.
„Nein!“
Gero war längst hellhörig geworden. Das Geschrei im Treppenhaus war nicht zu überhören. Er öffnete die Wohnungstür der WG und erblickte Dirk und Neal im Hausflur.
„Hey, was machen Sie mit ihm?“, fragte er erstaunt, als er Dirks Griff an Neals Arm bemerkte. „Lassen Sie ihn los!“
„Das ist ja wohl meine Sache!“, erwiderte Dirk in einem unfreundlichen Ton. Noch immer hielt er Neal fest und versuchte, ihn von der Tür wegzuziehen. Aber Neal wehrte sich nach wie vor.
„Lass mich los, verdammt!“, keifte er ungehalten. In dem Gerangel war es für ihn unmöglich, die Tür zu Francis’ Wohnung aufzuschließen. Somit klingelte er dort Sturm.
„Was wollen Sie von Neal?“, fragte Gero völlig entgeistert. Er trat in den Flur, war bereit einzugreifen. „Sie sehen doch, dass er nicht mit will.“
„Ob er will oder nicht …“ Dirk schüttelte den Kopf, war an keiner Diskussion interessiert. „Er muss da hin!“
„Wohin?“ Gero verstand offensichtlich gar nichts mehr.
„Zur Drogenberatung! Wohin sonst?“, entgegnete Dirk. Er sah Gero dabei nicht einmal an, sondern wandte sich sofort wieder an Neal. „Ich habe echt genug! Kommst du jetzt mit?“
„Mit Gewalt hat das doch gar keinen Sinn!“, mischte sich Gero lauthals ein. Er konnte es nicht mit ansehen, wie Dirk an seinem Freund herumzerrte.
„Was mischst du dich da eigentlich ein, du Dreikäsehoch!“, fauchte Dirk. Er sah Gero wütend an. Und es wären noch sicher weitere schlimme Worte gefallen, hätte sich nicht plötzlich Francis’ Tür geöffnet.
„Was geht hier vor?“, fragte Francis leise. Sie sah verschlafen aus. Das Klingeln an ihrer Tür hatte sie aus einem kleinen Nickerchen gerissen. „Müsst ihr so herumschreien?“
Dirk war der erste, der sich anscheinend wieder unter Kontrolle hatte und fing an, die Lage zu erklären.
„Neal will nicht mit zur Therapie, dabei hatte ich ihm extra neue Termine geholt … Und jetzt weigert er sich wieder.“
Francis’ Augen wurden weit. Fassungslos sah sie ihren Bruder an. „Ist das wahr?“, fragte sie.
„Könnt ihr mich nicht alle mal in Ruhe lassen!“, schrie Neal sauer, ohne eine Antwort darauf zu geben. Er ging zügig an Francis vorbei und verschwand in der Wohnung.
Dirk konnte nur wieder mit dem Kopf schütteln. „Er ist so stur.“
„Was mischen Sie sich da eigentlich ein?“, meldete sich Gero wieder zu Wort. „Wer sind Sie eigentlich?“
Dirk lächelte amüsiert. „Das geht dich gar nichts an“, sagte er abfällig, dann verschwand er ebenfalls in der Wohnung.
Geros Mund öffnete sich vor Fassungslosigkeit. „Wieso geht der Typ einfach in deine Wohnung?“, fragte er perplex. „Wer ist das? Was bildet der sich denn ein?“
„Er ist ein guter Freund von Neal“, berichtete Francis. Sie zwinkerte Gero beruhigend zu. „Das geht schon in Ordnung.“
„Ein Freund?“, wiederholte Gero sichtlich irritiert. „So scheint mir das aber nicht. Neal will doch überhaupt nicht mit diesem Mann mit.“
Francis nickte. Doch ihr war klar, dass es nicht nur an Dirk lag.
„Neal muss aber zu dieser Therapie. Siehst du denn nicht, wie schlecht es ihm schon geht von den Drogen? So kann das nicht
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