Von Liebe und Gift
Gesicht.
„Zieh Leine und lass Gero in Ruhe“, hörte er ihn sagen, „sonst hast du bald keine Zähne mehr für dein Zahnpastagrinsen.“
Pascal verschlug es die Sprache, aber man sah ihm an, dass er von den Worten schockiert, und nicht fähig war, sich zu verteidigen. Er nahm Abstand, doch bevor er sich drehte, sah er Gero fast bemitleidend an. „Wie kannst du bloß mit so einem unangenehmen Typen befreundet sein?“
Er schüttelte den Kopf und ging. Gero schwieg.
Die Modenschau wurde ein großer Erfolg, und Gero, mit seiner unerfahrenen und natürlichen Art, stahl jedem die Show. Am Ende der Präsentation rissen sich die Reporter um ihn, machten Fotos und Interviews. Gero war sichtlich überfordert damit. Neal beobachtete das Treiben um seinen Freund eine Weile, dann schritt er ein.
„Wann werden Sie das nächste Mal auf dem Laufsteg zu sehen sein, Herr Steinert?“, fragte einer der Journalisten.
Gero schüttelte sofort den Kopf. „Gar nicht. Es war das erste und letzte Mal, dass ich bei einer Modenschau mitgemacht habe, wirklich“, antwortete er höflich.
„Aber wieso?“, fragte ein anderer Reporter. „Sie sind talentiert.“
„Mein Freund ist angehender Arzt, meine Herrschaften“, funkte Neal augenblicklich dazwischen, „kein Modepüppchen.“ Sofort drehten sich alle nach ihm um.
Da nickte Gero zustimmend. „Ja, meine Welt ist die Medizin, dabei bleibe ich.“ Er war augenfällig erleichtert, dass Neal ihm beistand. Und der hatte auch sofort alle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Eine junge Reporterin kam näher.
„Sie sind Anderson junior, nicht wahr?“, fragte sie direkt. „Warum sind Sie nicht in der Firma Ihres Vaters tätig?“
Neal seufzte. „Muss ich das noch erklären? - Ich bin Musiker!“
Er lächelte in die Runde, genoss das Interesse an seiner Person. Besitzergreifend legte er seinen Arm um Gero. Eine Geste, die bei der Presse erneute Aufruhr entfachte.
„Sie zeigen hier so öffentlich, dass Sie schwul sind?“ Der Journalist, der genau neben Neal und Gero stand, rümpfte die Nase, als er die innigen Berührungen zwischen den beiden Männern bemerkte.
„Ob hetero, schwul oder bi …“ Neal zuckte mit den Schultern. „Macht das einen Unterschied?“
„Och, in der Welt der Reichen und Schönen schon …“, erwiderte der Reporter und brachte seine Kollegen damit zum Lachen. Die Hemmschwellen waren gebrochen. Die junge Reporterin drängelte sich in die erste Reihe und hielt Neal das Mikrofon genau vor den Mund.
„Was ist denn mit der Beziehung zu Ihrer Schwester geworden? Man sprach damals von Inzest …“
Als Neal diese Frage hörte, versteinerte sich seine Miene. Er schob das Mikrofon beiseite.
„Das geht Sie gar nichts an!“, fauchte er. Der Griff um Gero wurde fester.
„Waren Sie deswegen so viele Jahre in England, damals? War ihre Schwester der Grund dafür?“, rief ein Herr aus den hinteren Reihen.
Neal hörte nicht mehr hin. Er drehte sich um. Das alles erinnerte ihn an die Vergangenheit. Was hatte er früher mitgemacht? Wie sehr hatte er gelitten unter der Liebe zu seiner Schwester? Welche Opfer hatte er gebracht? Wie sehr hatte er sie damals verletzt?
Wütend zog er Gero hinter sich her. „Lass uns gehen!“
Bei Neal angekommen, gingen sie sofort ins Schlafzimmer. Es war schon spät, und der Tag war für beide anstrengend gewesen.
„Dass du das auf euren Konzerten so aushalten kannst mit all der Presse und so“, staunte Gero.
Neal schwächte das Ganze ab. „Bei unseren Gigs interessieren sich die Reporter für unsere Musik und nicht für meine Bettgeschichten.“ Es klang immer noch zornig. Er verschwand im Bad, wo kurz darauf das Wasser rauschte.
Gero entkleidete sich lautlos. Den Smoking aus Samt hatte ihm Peter Anderson überlassen, zudem hatte er für den Abend einen beachtlichen Scheck ausgestellt bekommen. Doch was war Geld wert in diesem Moment?
Gero betrachtete sich im Spiegel. Er bemerkte, dass er blass geworden war. Die Modenschau hatte ihn für ein paar Stunden in eine andere Welt entführt, doch augenblicklich spürte er wieder dieses ungute Gefühl in der Magengegend. Die Sorgen um Neal holten ihn wieder ein.
„Na, du wirst doch jetzt nicht eitel?“, ertönte plötzlich dessen Stimme. Gero drehte sich und blickte in Neals blaue Augen. „Du sahst noch nie so schön aus wie heute“, sagte der. „Ich bin sehr stolz auf dich.“
„Ehrlich?“ Geros Stimme stockte. Wie immer, wenn sein Freund ihm Komplimente
Weitere Kostenlose Bücher