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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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waren noch verschie-dene Gegenstände, die persönliches Eigentum von Crooks waren. Denn, da er allein war, konnte er seine Sachen umherliegen lassen, und als Stallknecht und zudem Krüppel, war er länger auf der Farm als die andern Arbeiter und hatte mehr Besitz angesammelt, als er auf dem Rücken hätte tragen können.
    Crooks besaß mehrere Paar Schuhe, ein Paar Gummi-stiefel, einen großen Wecker und ein einläufiges Gewehr.
    Auch Bücher hatte er: ein abgegriffenes Wörterbuch und eine beschädigte Ausgabe des kalifornischen Bürgerlichen Gesetzbuches von 1905. Zerlesene Zeitschriftenhefte waren da und ein paar schmutzige Bücher auf einem beson-deren Brett über der Schlafstelle. Eine große goldgeränderte Brille hing an einem Nagel über dem Bett.
    Der Raum war gekehrt und ziemlich sauber, denn Crooks war ein stolzer, auf sich selbst gestellter Mensch.
    Er hielt Distanz und verlangte, daß andere sie auch zu ihm wahrten. Sein Körper neigte sich nach links infolge einer Rückgratverkrümmung, und seine Augen waren tieflie-gend und hatten durch diese Tiefe einen intensiven Glanz.
    Sein mageres Gesicht war von tiefen schwarzen Falten 73
    umsäumt, und seine dünnen, schmerzgestrafften Lippen waren heller als sein Gesicht.
    Es war Samstagabend. Durch die offene, zum Stall führende Tür drang Lärm von der Bewegung der Pferde, von scharrenden Füßen, von Heu zerkauenden Zähnen und vom Geklirr der Halfterketten. Den Schlafraum des Stallknechtes beleuchtete eine kleine, runde elektrische Lampe mit schwachem gelblichen Licht.
    Crooks saß auf seinem Bettgestell. Sein Hemd hing hinten aus der Hose raus. In der einen Hand hielt er eine Flasche mit einem Einreibemittel, mit der anderen rieb er sich den Rücken ein. Von Zeit zu Zeit goß er ein paar Tropfen des Einreibemittels in seine rosige Handfläche und faßte unter das Hemd, um weiter einzureiben. Er beugte sich zu-rück und erzitterte leicht.
    Geräuschlos erschien Lennie im offenen Tor und schaute stehend hinein; seine breiten Schultern füllten die Öffnung fast aus. Einen Augenblick lang sah Crooks ihn nicht, aber als er seine Augen erhob, richtete er sich steif auf, und ein finsterer Ausdruck trat in sein Gesicht.
    Lennie lächelte hilflos in dem Wunsch, Freundschaft zu schließen.
    Crooks sagte scharf: »Hast kein Recht, in meine Stube zu kommen. Dies is meine Stube. Niemand hat ein An-recht darauf, hier zu sein außer mir.«
    Lennie schluckte, und sein Lächeln wurde noch unterwürfiger. »Ich tu ja nichts«, sagte er. »Kam nur eben, um nach meinem Hundejungchen zu sehn, und da sah ich dein Licht«, erklärte er.
    »Bitte, ich habe ein Recht auf ein Licht. Du geh raus aus meiner Stube. Ich bin unerwünscht im Schlafgebäude, und du bist in meiner Stube nicht erwünscht.«
    »Warum bist du unerwünscht?« fragte Lennie.
    »Weil ich farbig bin. Sie spielen drin Karten, aber ich 74
    kann nich mitspielen, weil ich ’n Schwarzer bin. Sie sagen, ich stinke. Na, ich kann dir sagen, daß ihr alle für mich Stinker seid.«
    Lennie schlug hilflos seine großen Hände aneinander.
    »Alles is in die Stadt gegangen«, sagte er. »Slim und George und alle. George hat gesagt, ich sollte hierbleiben und kein Unheil anrichten. Da sah ich dein Licht!«
    »Na und, was willst du?«
    »Nichts – ich hab bloß dein Licht gesehn. Dachte, ich könnte ’n bißchen herkommen und dasitzen.«
    Crooks starrte Lennie an, dann griff er hinter sich, holte die Brille herunter, befestigte sie über seinen rosigen Ohren und starrte wieder auf ihn. »Ich kann nich einsehn, was du in der Scheune willst. Du bist kein Roßpfleger. Ein Auflader hat in der Scheune nichts zu suchen. Bist kein Roßpfleger. Hast mit den Pferden nichts zu tun.«
    »Das Hundchen«, wiederholte Lennie. »Kam um mein Hundchen zu sehn.«
    »Also, so geh und sieh nach deinem Hund. Aber komm nich, wo du nich erwünscht bist.«
    Aus Lennies Gesicht wich das Lächeln. Er ging ein Stück weit in die Stube hinein, dann besann er sich und wich wieder zur Tür zurück. »Hab se ’n bißchen ange-guckt. Slim sagt, ich soll se nich viel streicheln.«
    Crooks antwortete: »Hast se aber immerfort aus dem Nest genommen. Wundert mich, daß die Alte sich nich ’n andern Platz sucht.«
    »Oh, ihr is das gleich. Die läßt mich ran.« Lennie bewegte sich wieder vorwärts in die Stube hinein.
    Crooks wollte finster blicken, aber Lennies Lächeln ent-waffnete und besiegte ihn. »Komm und sitz ein bißchen her«, sagte er. »Wenn

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