Von Mäusen und Menschen
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drin.« Er machte eine Pause und blickte zu der offenen Tür hin, denn die Pferde bewegten sich unruhig und die Halfterketten klirrten. Ein Pferd wieherte.
»Scheint jemand draußen zu sein«, sagte Crooks. »Vielleicht Slim. Slim kommt manchmal zwei-, dreimal abends.
Er is ’n richtiger Roßpfleger. Sieht gut nach seinen Tieren.« Unter Schmerzen reckte er sich auf und bewegte sich zur Tür. »Slim?« fragte er.
Candys Stimme antwortete: »Slim ist zur Stadt. Sag, haste Lennie gesehn?«
»Meinste den großen Burschen?«
»Ja – is er irgendwo hier gewesen?«
»Er is hier«, sagte Crooks kurz angebunden. Dann begab er sich zu seiner Schlafstelle und legte sich nieder.
Candy stand im Tor und kratzte an seinem Armstummel; das helle Licht des Raumes ließ ihn blinzeln. Doch versuchte er nicht, einzutreten. »Will dir was sagen, Lennie.
Hab alles durchgerechnet wegen der Kaninchen.«
Crooks sagte etwas gereizt: »Kannst reinkommen, wenn du willst.«
Candy schien verlegen. »Weiß nich – na ja, wenn du willst.«
»Komm nur rein. Wenn sonst jeder reinkommt, dann kannste auch so gut wie die andern.« Es war nicht ganz leicht für Crooks, seine Genugtuung unter gespieltem Ärger zu verstecken.
Candy trat ein, aber noch verlegen. »Hast ’n netten, ge-mütlichen Platz hier«, sagte er zu Crooks. »Muß fein sein, eine Stube so ganz für sich alleine zu haben.«
»Jawoll«, sagte Crooks. »Und ’n Misthaufen direkt unter dem Fenster. Is wirklich großartig.«
Lennie fuhr dazwischen: »Du hast was von den Kaninchen gesagt.« Candy lehnte an der Wand neben dem zer-brochenen Halsband und kratzte seinen Armstummel.
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»Bin schon lange hier«, sagte er, »und Crooks is schon lange hier, un es is das erstemal, daß ich in seine Stube komme.«
Düster sagte Crooks: »Die Leute kommen nich gerade oft in die Stube eines Farbigen. Is noch keiner hier gewesen außer Slim. Slim und der Chef.«
Candy wechselte schnell den Gesprächsgegenstand.
»Slim is der beste Roßpfleger, den ich je gesehn hab.«
Lennie beugte sich zu dem Alten vor. »Von den Kaninchen!« wiederholte er hartnäckig.
Candy lächelte: »Ich hab’s durchgerechnet. Wir können an den Kaninchen verdienen, wenn wir’s richtig anstellen.«
»Aber ich werd se versorgen. George hat gesagt, daß ich se versorgen soll. Er hat’s versprochen.«
Barsch unterbrach ihn Crooks: »Ihr seid kindisch. Ihr redt höllisch viel von dem Zeug, aber Land werdet ihr keins kriegen. Du wirst hier aufscheuern, bis se dich in vier Brettern raustragen. Zum Teufel, hab zu viele Burschen gesehn. Lennie wird hier in zwei, drei Wochen wieder weggehen und auf der Straße sein. Scheint, daß jeder von euch Brüdern Land im Kopf hat.«
Candy rieb ärgerlich seine Backe. »Du hast gottverdammt recht, un wir werden’s machen. George sagt, daß er sicher is. Wir haben das Geld zusammen.«
»So?« sagte Crooks. »Un wo is George jetz? In der Stadt im Hurenhaus. Da geht euer Geld hin. Jesus, wie oft hab ich das schon mit angesehn. Hab zu viele Burschen gekannt mit ’n Stück Land im Kopf. Haben’s nie in de Hand gekriegt.«
Candy rief aus: »Aber gewiß woll’n se das alle. Jeder will ’n Stückchen Land, braucht nich viel zu sein. Bloß so viel, daß man was Eigenes hat, worauf man leben kann, und niemand kann ein’n rausschmeißen. Hab nie eins ge-82
habt. Hab für weiß der Teufel bald jedermann in diesem Staat gesät und gepflanzt, aber nie war’s mein eigenes Gewächs. Und wenn ich geerntet hab, nie war’s meine Ernte. Aber jetz werden wir das machen, und du täusch dich nich drüber. George hat das Geld nich mit in der Stadt. Das is auf der Bank. Ich un Lennie un George. Un wir wer’n ’ne Stube für uns ha’m. ’n Hund wer’n wir ha’m und Kaninchen und Hühner. Grünkorn wer’n wir pflanzen und vielleicht ’ne Kuh oder ’ne Ziege ha’m.« Er brach ab, überwältigt von seinem Bilde.
Crooks sagte: »Also, das Geld habt ihr?«
»Zum Teufel ja. Das meiste ha’m wir. ’s fehlt nur noch
’n bißchen. Das krieg’n wir in ei’m Monat. George hat das Grundstück schon an der Hand.«
Crooks faßte hinter sich und untersuchte sein Rückgrat.
»Hab nie einen Burschen es wirklich machen sehn. Hab erlebt, wie se fast verrückt waren vor Sehnsucht nach Land, aber jedesmal verschlang ein Hurenhaus oder ein Blackjack-Spiel, was es gekostet hätte.« Er zögerte.
»Wenn … wenn ihr Burschen einen braucht, der umsonst arbeitet – bloß für den
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