Von Mäusen und Menschen
es in hundert Jahren nich finden.«
Erregt fuhr Candy fort: »Was verlangen se für so ’n Anwesen?«
George beobachtete ihn mißtrauisch. »Tja – ich könnt’s wohl für sechshundert Dollar kriegen. Die alten Leutchen, denen es gehört, sind gebrechlich, die alte Dame muß sich operieren lassen. Sag – was kümmert dich das? Du hast nichts mit uns zu schaffen.«
Candy sagte: »Ich tauge nich mehr viel mit meiner einen Hand. Hab die rechte Hand hier auf der Farm verloren.
Darum geben sie mir Arbeit und lassen mich auskehren und scheuern. Se ha’m mir auch zweihundertfünfzig Dollar gegeben, als ich die Hand verlor. Und fünfzig hab ich noch gespart, die sind auch auf der Bank, vollzählig. Das macht dreihundert. Und fünfzig krieg ich noch Ende näch-65
sten Monats. Will euch was sagen …« Erregt beugte er sich vor. »Wenn ich nu mit euch käme. Dreihundertfünfzig Dollar könnt ich reinstecken. Viel kann ich nich leisten. Aber ich könnte kochen und die Hühner versorgen und den Garten ’n bissel umhacken. Wie wär das?«
George schloß die Augen. »Darüber muß ich erst nachdenken. Hab immer gedacht, wir würden’s alleine machen.«
Candy unterbrach ihn. »Ich würde ’n Testament machen und meinen Anteil euch vermachen, wenn ich ins Gras beiße. Denn ich hab doch keine Verwandten. Habt ihr Geld? Vielleicht könnten wir’s sofort schaffen?«
George spuckte verächtlich auf den Boden. »Wir ha’m zusammen zehn Dollar.« Dann fügte er nachdenklich hinzu:
»Schau, wenn Lennie un ich einen Monat arbeiten und nichts ausgeben, dann ha’m wir hundert Dollar. Das macht vierhundertfünfzig. Wetten, daß wir’s damit schaffen könnten? Dann könnten du und Lennie hingehen und das Ding in Gang bringen, und ich würde Arbeit suchen und den Rest zuverdienen, und ihr könntet Eier und so was verkaufen.«
Sie verfielen in Schweigen. Staunend sahen sie einander an. Sie hatten das alles nie wirklich geglaubt, und nun sollte es wahr werden! George sagte ehrfürchtig: »Jesus Christus! Wetten – wir können es schaffen!« Seine Augen waren voll Wunderglauben. »Wetten – wir können es schaffen«, wiederholte er leise.
Candy saß jetzt an der Kante der Schlafstelle. Er kratzte nervös den Stumpf an dem leeren Handgelenk. »’s sind vier Jahre her, daß ich verletzt wurde. Se werden mich bald kaltstellen. Sobald ich die Schlafräume nich mehr scheuern kann, werden se mich abschreiben. Vielleicht, wenn ich euch mein Geld gebe, laßt ihr mich den Garten hacken, auch wenn es nich mehr viel taugt. Und ich kann aufwaschen und das Federvieh versorgen und so was.
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Aber ich werde auf was Eigenem sein, und ich werde auf dem eigenen Fleck arbeiten dürfen.« Jammernd setzte er hinzu: »Habt ihr gesehn, was sie gestern abend mit meinem Hund gemacht haben? Sie sagen, er war sich und andern nichts mehr nütze. Wenn se mich kaltstellen, dann wünschte ich, jemand würde mich erschießen. Aber das wird keiner nich tun. Ich werd nichts haben, wo ich hingehn kann, und keine Arbeit mehr kriegen. – Bis ihr hier raus wollt, krieg ich noch mal dreißig Dollar.«
George stand auf. »Wir werden’s machen«, sagte er.
»Wir wollen das ins reine bringen mit dem Stück Land und dort leben.« Er setzte sich wieder hin. Sie saßen alle still, alle drei bezaubert von der Schönheit ihres Vorhabens, jeder mit ganzem Gemüt in die Zukunft getaucht, wenn dieser herrliche Plan Wirklichkeit würde.
George ließ seine Gedanken laut wandern. »Gesetzt, es wäre in der Stadt ein Karneval oder ein Zirkus, oder ein Ballspiel, oder sonst der Teufel weiß was …« Der alte Candy nickte verständnisvoll. »Wir würden einfach hingehn. Würden niemand fragen, ob wir dürften. Brauchten bloß zu sagen: ›Wir woll’n hingehn’‹, und schon wären wir dort. Schnell noch die Kuh gemolken und dem Federvieh was hingestreut, und los.«
»Und den Kaninchen noch Grünfutter gegeben«, warf Lennie dazwischen. »Würde nie vergessen, ihnen Futter zu geben. Wann machen wir das, George?«
»In einem Monat. Auf’n Punkt in einem Monat. Ich weiß, was ich tun will. Werde den alten Leuten schreiben, denen das kleine Anwesen gehört, daß wir’s nehmen. Und Candy schickt hundert Dollar, damit wir sie festlegen.«
»Gewiß will ich das. Se ha’m ’n guten Ofen dort, nich?«
»Jawoll, ’n prima Ofen. Für Kohlen oder Holz.«
»Un ich nehm mein Hundejunges mit«, sagte Lennie.
»Wetten, daß es ihm dort gefällt -Jesus, das is
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