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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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hilf mir – solang der Kerl noch etwas wie eine Hand hat.«
    Auf einmal ließ Lennie los. Er kroch an die Wand zu-rück und kauerte sich hin. »Du hast’s gewollt, George«, sagte er jammervoll.
    Curley setzte sich auf den Boden und sah fassungslos auf seine zerschmetterte Hand. Dann richtete Slim sich auf und sah mit Grausen auf Lennie. »Wir müssen ihn zum Arzt bringen«, sagte er. »Es sieht aus, als ob alle Hand-knochen zerschmettert sind.«
    »Das wollte ich nich«, schrie Lennie. »Wollte ihn nich verletzen.«
    Slim sagte zu Carlson: »Laß du den leichten Wagen an-70
    spannen. Wir wollen ihn nach Soledad bringen und ver-binden lassen.« Carlson sauste hinaus. Slim wandte sich zu dem ächzenden Lennie. »Kannst nich dafür«, sagte er zu ihm. »Dieser Kerl hat sich’s selber zugezogen. Aber Jesus! Es is kaum was von seiner Hand übrig.« Slim eilte hinaus und kam gleich darauf mit einem Zinnbecher voll Wasser zurück. Er hielt ihn Curley an die Lippen.
    George fragte: »Slim, werden wir jetz rausgeschmissen?
    Wir wollten doch was auf die hohe Kante legen. Wird Curleys alter Herr uns jetz raussetzen?«
    Slim lächelte bitter. Er kniete neben Curley nieder.
    »Hast du deine Sinne so beisammen, daß du zuhören kannst?« fragte er ihn. Curley nickte. »So paß auf«, fuhr Slim fort. »Ich denke, wir sagen, deine Hand is in ’ne Maschine geraten. Und wenn du niemandem sagst, was passiert is, dann sagen wir’s auch nich. Wenn du aber ver-suchst, diesen Burschen rausschmeißen zu lassen, dann erzählen wir alles. Und dann brauchst du für den Spott nicht zu sorgen.«
    »Werde nichts sagen«, antwortete Curley. Er vermied es, zu Lennie zu sehen.
    Man hörte die Räder des Einspänners draußen. Slim half Curley auf die Füße. »Komm jetzt. Carlson bringt dich zum Arzt.« Er half Curley zur Tür hinaus. Das Geräusch der Räder verklang. Gleich kam Slim wieder in den Schlafraum zurück. Er sah nach Lennie, der immer noch furchtsam gegen die Wand gekauert hockte. »Zeig mir deine Hände«, sagte er. »Allmächtiger Christus – verhüte Gott, daß du auf mich wütend würdest!«
    George fiel ihm ins Wort. »Lennie war außer sich vor Schreck«, erklärte er. »Er wußte sich nich zu helfen. Ich hab’s dir ja gesagt, es sollte sich keiner nich auf ’n Kampf mit ihm einstellen. Ach nein, wahrscheinlich hab ich’s zu Candy gesagt.«

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    Candy nickte ernsthaft. »Ja, das haste gesagt. Grad heut morgen, als Curley zum erstenmal mit deinem Freund was anzetteln wollte, da sagst du: ›Er täte besser, keine Dummheiten mit Lennie zu machen, wenn er sein eignes Bestes will!‹ Ja, das haste mir gesagt.«
    George wandte sich an Lennie. »Du kannst nich dafür«, sagte er. »Brauchst dich nich mehr zu fürchten. Hast bloß getan, was ich dich geheißen hab. Vielleicht gehste jetz am besten in den Waschraum und wäschst dein Gesicht.
    Du siehst höllisch aus.«
    Lennie lächelte, so gut es mit dem verwundeten Mund ging. »Wollte kein Unheil anrichten«, sagte er. Er ging zur Tür, aber ehe er sie ganz erreicht hatte, kehrte er noch einmal um. »George?«
    »Was willste?«
    »Ich darf aber doch die Kaninchen versorgen, ja?«
    »Sicher. Hast nix Böses getan.«
    »Hab nix Schlimmes gewollt, George.«
    »Also gut, aber zum Teufel, geh jetz dein Gesicht waschen.«

    IV

    Crooks, der farbige Stallknecht, hatte seine Schlafstelle in der Sattelkammer; es war ein kleiner Schuppen, angelehnt an die Scheunenwand. An der einen Seite des kleinen Raumes war ein viereckiges Fenster mit vier kleinen Scheiben und auf der anderen eine schmale Brettertür, welche in die Scheune führte. Crooks’ Schlafstelle war ei-ne lange, mit Stroh gefüllte Kiste, über die seine Decken gebreitet waren. An der Fensterwand waren Nägel, an de-72
    nen in Reparatur befindliches Pferdegeschirr hing, sowie Streifen neuen Leders; unter dem Fenster selbst befand sich eine kleine Truhe für Handwerkszeug für die Leder-arbeiten: krumme Messer und Nadeln, Knäuel mit Leinen-faden und eine handliche Hufnagelzwicke. An anderen Nägeln hingen Geschirrteile, ein geborstenes Halsband, aus dem die Roßhaarfütterung heraussah, ein zerbrochener Geschirrbügel und ein Zugriemen, dessen Lederteil zerris-sen war. Crooks hatte seine Kiste über dem Lager und auf deren Brettern eine Reihe von Medizinflaschen, teils für sich, teils für die Pferde. Büchsen mit Sattelschmiere waren da und eine tropfende Teerkanne mit herausragendem Pinsel. Auf dem Boden ausgebreitet

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