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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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Hauptsache«, sagte Lennie jammervoll. »George wird mich jetz de Kaninchen nich versorgen lassen.«
    »Warum nich?«
    »Tja, er hat gesagt, wenn ich wieder was Schlimmes mache, darf ich de Kaninchen nich versorgen.«
    Sie drängte sich dichter an ihn und sprach beruhigend auf ihn ein. »Mach dir keine Gedanken wegen reden mit mir. Hör bloß, wie die Burschen da draußen brüllen. Sie wetten in dem Spiel um vier Dollar. Keiner von ihnen wird rausgehn, eh das Spiel vorbei is.«
    »Wenn George mich mit dir sprechen sieht, wird er mir die Hölle heißmachen«, sagte Lennie vorsichtig. »Hat’s mir gesagt.«
    Ihr Gesicht bekam einen bösen Ausdruck. »Was is denn los mit mir?« schrie sie. »Hab ich nich das Recht, mal zu jemand zu sprechen? Was denken se eigentlich, daß ich bin? Du bist ’n netter Bursche. Kann nich einsehn, warum ich nich mit dir reden soll. Tu dir nichts zuleide.«
    »Na, George sagt, du wirst uns ins Unheil bringen.«
    »Ach, Quatsch«, sagte sie. »In was für ’n Unheil soll ich euch bringen? Kümmert sich scheint’s niemand drum, was ich für ’n Leben führe. Kann dir sagen, daß ich nicht ge-wohnt bin, so zu leben. Hätte was aus mir machen können.« Düster fügte sie hinzu: »Vielleicht kommt’s noch.«
    Und dann brach ihr Mitteilungsbedürfnis in einem Strom von Worten los, als müßten sie sich überstürzen, ehe ihr der Zuhörer geraubt würde. »Bin hier in Salinas zu Hause.
    Kam hin, als ich ein Kind war. Na, und da kam ’n Wan-dertheater durch, un ich lernte einen von den Schauspie-lern kennen. Der sagte, ich könnte mit dem Theater ziehen. Aber meine alte Dame hat’s nich erlaubt, weil ich erst 94
    fünfzehn war. Aber der Bursche hat gesagt, ich könnte.
    Wär ich gegangen, dann bräuchte ich nich so zu leben, das kannste glauben.«
    Lennie streichelte das Junge vorwärts und rückwärts.
    »Wir wer’n ’n Stück Land ha’m, un Kaninchen«, erklärte er.
    Sie fuhr hastig mit ihrer Geschichte fort, ehe er sie wieder unterbrechen konnte. »’n anderes Mal hab ich ’n Burschen kennengelernt, der war beim Film. Ging mit ihm zum Riverside Tanzpalast. Er sagte, er würde mich zum Film bringen. Sagte, ich wär die geborene Filmschauspielerin. Sobald er wieder in Hollywood wäre, würd er mir schreiben.« Sie rückte ganz dicht an Lennie heran, um zu sehen, ob es ihm Eindruck mache. »Hab den Brief nie bekommen«, sagte sie. »Hab mir immer gedacht, meine alte Dame hat ihn gestohlen. Na, ich wollte an keinem Ort bleiben, wo ich nix aus mir machen könnte un nirgends hingehn und wo man meine Briefe stahl. So hab ich Curley genommen. Hab ihn am selben Abend im Riverside Tanzpalast kennengelernt. – Hörst du?« fragte sie.
    »Ich? – Ja gewiß.«
    »Tja – das hab ich bis jetz noch niemand gesagt. Vielleicht sollt ich’s nich sagen. Ich mag Curley nich. Is kein netter Mensch.« Und weil sie sich ihm anvertraute, rückte sie noch näher zu Lennie und setzte sich neben ihn.
    »Könnte beim Film sein und in schönen Hotels sitzen, un mich photographieren lassen. Un wenn eine Vorschau is, könnt ich hingehn, un könnte im Radio sprechen, un alles würde mich kein’ Heller kosten, weil ich beim Film wär.
    Un all die schönen Kleider, die sie tragen! Der Mann sagte ja, ich sei die geborne Filmschauspielerin.« Sie sah zu Lennie auf und machte den Versuch einer großartigen Geste, um zu zeigen, daß sie spielen könne. Ihre Finger folg-ten in der Bewegung der des Handgelenks, und der kleine Finger stand kühn von den anderen ab.

    95
    Lennie seufzte tief auf. Von draußen kam wieder der Klang der Hufeisen im Aufprall auf Metall und dann ein Chor von Beifallsrufen. »Jemand hat gewonnen«, sagte Curleys Frau.
    Das Licht kletterte höher, wie die Sonne unterging, und die Sonnenstrahlen zogen sich die Wand hinauf und fielen über die Futterstellen und die Köpfe der Pferde.
    Lennie sagte: »Vielleicht, wenn ich das Junge nähme und es fortschmisse, würde George nie erfahren, was passiert is. Un dann dürfte ich ohne Scherereien die Kaninchen versorgen.«
    Ärgerlich sagte Curleys Frau: »Denkste an nix als an de Kaninchen?«
    »Wir wer’n ’n Stück Land ha’m«, erklärte Lennie gedul-dig. »Wir wer’n ’n Häuschen ha’m un ’n Garten un ’n kleines Kleefeld, un der Klee is für die Kaninchen, un ich nehm ’n Sack un pack ihn voll Klee un nehme ihn zu den Kaninchen.«
    Sie fragte: »Warum bist du so verrückt auf die Kaninchen?«
    Lennie mußte sorgsam nachdenken, ehe er

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