Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
meine Hand.
Als wir eintraten, spürte ich, wie Terese erstarrte. Ich folgte ihrem Blick zu einem Hund– einem Bearded Collie. Der Hund war alt. Er lag erschöpft auf dem Boden und rührte sich nicht. Terese ließ meine Hand los, bückte sich und streichelte den Hund.
» Hey, altes Mädchen«, flüsterte sie. » Ich bin’s.«
Der Hund wedelte mit dem Schwanz, was ihn aber offenbar große Anstrengung kostete. Der Rest des Körpers blieb ruhig liegen. Terese hatte Tränen in den Augen.
» Das ist Casey«, sagte sie zu mir. » Wir haben sie für Miriam gekauft, als sie fünf Jahre alt war.«
Es gelang Casey, den Kopf zu heben. Sie leckte Tereses Hand. Terese blieb einfach neben ihr knien. Caseys Augen waren milchig vom grauen Star. Der alte Hund versuchte, die Beine unter den Körper zu bekommen und aufzustehen. Terese beruhigte ihn und streichelte ihn hinter den Ohren. Der Hund hatte immer noch den Kopf gedreht, als wollte er Terese in die Augen sehen. Terese rückte etwas näher heran, damit er sich nicht so anstrengen musste. Es war ein zärtlicher Moment, und ich hatte das Gefühl, dass ich störte.
» Casey hat meistens bei Miriam unterm Bett geschlafen. Sie hat sich geduckt und ist so unters Bett gerobbt, da unten hat sie sich dann umgedreht und ist so weit wieder rausgekrabbelt, bis ihr Kopf herausgeschaut hat. Als hätte sie Wachdienst gehabt.«
Terese tätschelte den Hund und fing an zu weinen. Ich trat etwas zurück, versuchte, die beiden vor den Blicken der anderen abzuschirmen, ließ ihnen Zeit. Terese brauchte ein paar Minuten, um sich wieder zu sammeln. Als sie das geschafft hatte, nahm sie wieder meine Hand.
Wir gingen ins Wohnzimmer. Dort standen etwa fünfzehn Leute in einer Schlange, um Karen Collins ihr Beileid auszusprechen.
Kaum hatten wir das Zimmer betreten, starrten uns die Leute an und fingen an zu tuscheln. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, aber wenn die Exfrau, die fast zehn Jahre lang verschwunden war, plötzlich im Haus der aktuellen Ehefrau auftauchte, gab es natürlich Gerede.
Die Schlange teilte sich, und eine schick in Schwarz gekleidete Frau– die Witwe, wie ich annahm– kam auf uns zu. Sie war hübsch, hatte grüne Augen und fast etwas Puppenartiges an sich. Einen Hauch von Tuesday Weld, um einen Steely-Dan-Song zu zitieren. Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte, aber als sie Terese sah, schienen ihre Augen aufzuleuchten. Auch Terese strahlte. Beide Frauen lächelten sich traurig an– mit diesem Lächeln, das Menschen vorbehalten ist, die man sehr schätzt, denen man aber lieber unter angenehmeren Umständen begegnet wäre.
Karen breitete die Arme aus. Beide Frauen umarmten sich und blieben so eine Weile ganz still stehen. Einen Moment lang fragte ich mich, was für eine Freundschaft diese beiden Frauen verband, dann kam ich zu dem Schluss, dass es eine sehr enge sein musste.
Als sie die Umarmung wieder lösten, deutete Karen kurz mit dem Kopf zur Tür. Die beiden Frauen gingen los. Terese griff hinter sich und nahm meine Hand, also folgte ich ihr. Wir gingen ins Nebenzimmer, das die Engländer wahrscheinlich » Drawing Room« nannten, und Karen schloss die Schiebetür hinter sich. Die beiden Frauen setzten sich auf die Couch, als hätten sie das schon tausendmal gemacht. Sie wussten, wo sie saßen. Es entstanden keine peinlichen Momente.
Terese sah mich an. » Das ist Myron«, sagte sie.
Ich streckte die Hand aus. Karen Towers schüttelte sie mit ihrem winzigen Händchen. » Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen«, sagte ich.
» Danke.« Karen wandte sich wieder Terese zu. » Ist er dein… ?«
» Das ist kompliziert«, sagte Terese.
Karen nickte.
Ich deutete mit dem Daumen nach hinten. » Soll ich nebenan warten?«
» Nein«, sagte Terese.
Ich blieb, wo ich war. Keiner wusste, wie es jetzt weitergehen sollte, aber ich würde ganz gewiss nicht das Wort ergreifen. Ich blieb so stoisch stehen, wie ich nur konnte.
Karen kam sofort auf den Punkt. » Wo bist du gewesen, Terese?«
» Hier und da.«
» Ich habe dich vermisst.«
» Ich dich auch.«
Schweigen.
» Ich hab versucht, dich zu erreichen«, sagte Karen. » Ich wollte dir das erklären. Die Sache mit Rick und mir.«
» Das hätte nichts geändert«, sagte Terese.
» Das hat Rick auch gesagt. Es hat ziemlich lange gedauert. Du warst weg. Wir haben angefangen, etwas Zeit miteinander zu verbringen. Um Gesellschaft zu haben. Es dauerte lange, bis mehr daraus geworden ist.«
» Du brauchst
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