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Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost

Titel: Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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trotzdem rannte ich wieder los.
    Das Sirren hörte auf, und eine Männerstimme sagte etwas.
    » Rache ist echt zum Kotzen, finden Sie nicht auch?«
    Der kultivierte englische Akzent, die gleiche Sprachmelodie wie damals, als er in Paris zu mir sagte: » Hören Sie mir zu, sonst schieße ich Sie tot.«
    Der Mann, dem ich den Tisch ins Gesicht geschleudert hatte. Der Mann vom Fahndungsfoto.
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Ich schnappte mir meine Pistole und rannte jetzt mit dem Handy in der einen und der Waffe in der anderen Hand. Angst ist ein komisches Gefühl, sie befähigt einen zu wunderbaren Dingen– zum Beispiel kennen Sie sicher die Berichte über Leute, die Autos anheben, um ihre Geliebten zu retten–, aber sie kann einen auch lähmen, Körper und Geist zerstören, einem die Luft zum Atmen nehmen. Das Laufen kam mir plötzlich so schwer vor, so als müsste ich mich wie in einem Traum durch tiefen Schnee kämpfen. Ich musste mich beruhigen, obwohl durch den Schock ein riesiges Loch in meiner Brust klaffte.
    Ich sah Karens Haus vor mir.
    Das blonde Mädchen stand in der Tür.
    Als sie mich sah, verschwand sie nach drinnen. Offensichtlich handelte es sich um eine Falle, aber hatte ich hier überhaupt eine Wahl? Der Anruf von Tereses Handy– mit dem Bohrmaschinengeräusch– klang mir immer noch in den Ohren. Und genau das sollte es ja wohl auch. Und was hatte Win gesagt? Zehn Minuten. Also wahrscheinlich jetzt noch sechs oder sieben.
    Sollte ich warten? Konnte ich das?
    Ich duckte mich und näherte mich dem Haus. Dann drückte ich die Schnellwahltaste. Win sagte: » Fünf Minuten.« Ich legte auf.
    Das blonde Mädchen war im Haus. Wer da noch drin war oder was da passierte, wusste ich nicht. Fünf Minuten. Fünf Minuten könnte ich warten. Es würden die längsten fünf Minuten meines Lebens werden, aber das konnte ich schaffen, musste es schaffen, ich musste Disziplin wahren, gerade weil ich vollkommen in Panik war. Ich blieb tief gebückt, duckte mich unter ein Fenster, horchte. Nichts. Keine Schreie. Keine Bohrmaschine. Ich wusste nicht, ob ich Erleichterung empfinden sollte– oder ob ich zu spät gekommen war.
    Den Rücken an die Backsteinmauer gedrückt, blieb ich unter dem Fenster. Ich sah hinauf. Versuchte mir vorzustellen, wie die Zimmer im Haus angeordnet waren. Das über mir sah aus wie das Wohnzimmerfenster. Okay, und weiter? Nichts weiter. Ich wartete. Die Pistole in meiner Hand fühlte sich gut an, das Gewicht strahlte Ruhe aus. Schusswaffen jeder Größe haben etwas Substantielles an sich. Ich war ein guter Schütze, kein großartiger. Man musste viel üben, um ein großartiger Schütze zu werden. Aber ich wusste, wie man mitten auf die Brust zielte, und normalerweise landete die Kugel nah genug dran.
    Und was jetzt?
    Bleib ruhig. Warte auf Win. Win ist gut in solchen Dingen.
    » Rache ist echt zum Kotzen, finden Sie nicht auch?«
    Der kultivierte Akzent, der ruhige Ton. Wieder hatte ich das Bild von Mario mit diesen ekligen Löchern vor Augen, dachte an die unvorstellbaren Schmerzen, die er erlitten hatte, während er diesen scheiß-kultivierten Akzent dazu hörte. War er am Ende froh darüber, als er endlich sterben durfte, oder hat er noch um sein Leben gekämpft?
    In der Ferne heulten Sirenen. Vielleicht die Polizei auf dem Weg zu Marios Wohnung.
    Da ich keine Armbanduhr mehr trage, sah ich auf dem Handy nach, wie spät es war. Wenn Wins Schätzung stimmte– und das tat sie eigentlich immer–, war er in drei Minuten hier. Was sollte ich machen?
    Meine Pistole.
    Ich fragte mich, ob das blonde Mädchen die Pistole gesehen hatte. Ich bezweifelte es. Wie Win schon erwähnt hatte, waren Schusswaffen in Großbritannien ziemlich selten. Die Leute im Haus würden annehmen, dass ich unbewaffnet war. Obwohl es mir schwerfiel, steckte ich daher die Pistole wieder in das Holster am Bein.
    Drei Minuten.
    Mein Handy klingelte. Im Display sah ich, dass es wieder Tereses Handy war. Ich meldete mich mit einem zaghaften: » Hallo?«
    » Wir wissen, dass Sie da draußen sind«, sagte die kultivierte Stimme. » Sie haben zehn Sekunden, um mit erhobenen Händen durch diese Tür zu kommen, sonst schieße ich einer der beiden netten Ladys in den Kopf. Eins, zwei…«
    » Ich komme.«
    » Drei, vier,…«
    Ich hatte keine Wahl. Ich sprang aus meiner Hocke hoch und sprintete zur Tür:
    » Fünf, sechs, sieben,…«
    » Tun Sie ihnen nichts, ich bin fast da.«
    Ich drehte den Knauf. Die Tür war

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