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Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost

Titel: Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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unverschlossen. Ich öffnete sie. Ich trat ein.
    Die kultivierte Stimme: » Ich sagte, mit erhobenen Händen.«
    Ich streckte die Hände in die Luft. Der Mann vom Fahndungsfoto stand auf der anderen Seite des Zimmers. Er hatte ein weißes Pflaster mitten im Gesicht. Die Augenhöhlen waren dunkelblau angelaufen, ein Nebeneffekt des Nasenbruchs. Ich hätte daraus eine gewisse Befriedigung ziehen können, aber erstens hatte er eine Pistole in der Hand, und zweitens knieten Terese und Karen mit hinter dem Rücken gefesselten Händen vor ihm und sahen mich an. Beide schienen relativ unverletzt zu sein.
    Ich sah nach rechts und nach links. Da standen zwei weitere Männer. Sie hatten Pistolen auf meinen Kopf gerichtet.
    Das blonde Mädchen war nicht zu sehen.
    Ich blieb absolut still mit erhobenen Händen stehen, versuchte so ungefährlich wie irgend möglich auszusehen. Win musste inzwischen ganz in der Nähe sein. Noch ein oder zwei Minuten. Ich musste ihn hinhalten. Ich nahm Augenkontakt zu dem Mann auf, mit dem ich in Paris gekämpft hatte. Ich sprach mit ruhiger, kontrollierter Stimme.
    » Hören Sie, lassen Sie uns reden, okay? Es gibt keinen Grund…«
    Er hielt seine Pistole gegen Karen Towers Hinterkopf, lächelte und drückte ab.
    Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, es spritzte kurz rot, dann war es ganz still, während alle die Luft anhielten und Karens Körper zu Boden fiel wie eine Marionette, bei der man die Fäden durchgeschnitten hatte. Terese schrie. Ich vielleicht auch.
    Die Hand des Mannes bewegte sich auf Tereses Kopf zu.
    OhmeinGottohmeinGottohmeinGott …
    » Nein!«
    Ich handelte rein instinktiv einem Mantra folgend: Rette Terese. Mit einem Kopfsprung– wie bei einem Swimmingpool– hechtete ich los. Die beiden Männer rechts und links schossen, aber sie hatten den üblichen Fehler gemacht und die Pistolen auf meinen Kopf gerichtet. Die Kugeln zischten über mich hinweg. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Terese sich zur Seite warf, als er mit der Pistole auf sie zielte.
    Ich musste schneller sein.
    Ich versuchte, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun: unten bleiben, den Kugeln ausweichen, auf die andere Zimmerseite kommen, die Pistole aus dem Holster ziehen, den Schweinehund umbringen. Ich kam näher an ihn heran. Normalerweise hätte ich zickzack laufen müssen, aber dafür war keine Zeit. Das Mantra dröhnte mir durch den Kopf: Rette Terese. Ich musste ihn erwischen, bevor er noch einmal abdrücken konnte.
    Ich schrie lauter, nicht vor Angst oder Schmerzen, sondern um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, so dass er zumindest einen Moment zögerte und mich ansah– ihn irgendwie zumindest für eine halbe Sekunde von seinem Ziel abzubringen, nämlich Terese zu erschießen.
    Ich kam näher.
    Die Zeit trieb ihre schmutzigen Spielchen. Seit Karens Hinrichtung waren vielleicht gerade mal ein oder zwei Sekunden vergangen. Mehr auf keinen Fall. Und jetzt, ohne die Zeit, mir einen Plan auszudenken, war ich schon fast bei ihm.
    Aber ich kam zu spät. Das erkannte ich jetzt. Ich streckte die Hand aus, als könnte ich so die Distanz überbrücken. Es reichte nicht. Ich war zu weit weg.
    Wieder drückte er den Abzug.
    Ein weiterer Schuss hallte durch den Raum. Terese fiel zu Boden.
    Der Schrei verwandelte sich in meiner Kehle zu einem gutturalen Schmerzenslaut. Eine Hand griff in meine Brust und zerquetschte mir das Herz. Ich rannte weiter, selbst als er die Pistole auf mich richtete. Die Angst war weg– ich handelte rein instinktiv, getrieben von unbändigem Hass. Die Pistole zielte in meine Richtung, fast direkt auf mich, als ich abtauchte und meine Schulter in seine Hüfte rammte. Er schoss noch einmal, aber die Kugel ging irgendwo in die Zimmerdecke.
    Ich riss ihn mit und knallte mit ihm gegen die Wand. Er schlug mir den Knauf seiner Pistole auf den Rücken. In einer andern Welt, zu einer anderen Zeit hätte das wohl wehgetan, aber jetzt hatte der Schlag weniger Wirkung als ein Mückenstich. Ich spürte keinen Schmerz, so etwas interessierte mich nicht mehr. Wir fielen zu Boden. Ich ließ ihn los, entfernte mich hastig zwei Schritte von ihm, wollte etwas Abstand gewinnen, damit ich den Revolver aus meinem Knöchelholster ziehen konnte.
    Das war ein Fehler.
    Ich war so beschäftigt, die Waffe zu ziehen, um das Schwein umzubringen, dass ich die beiden anderen bewaffneten Männer im Zimmer vergessen hatte. Der Mann, der rechts von mir gestanden hatte, stürzte mit erhobener Pistole auf mich zu. Als er

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