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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Tenn
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gefährdet ist, verschwinden die Unterschiede zwischen Menschheit und Ausländern. Daran hätte ich denken sollen.«
    »Was?« bettelte Eric. »Woran hättest du denken sollen?«
    »Genau so haben sie den Fremdglauben beim letzten Aufstand besiegt. Häuptling bleibt Häuptling. Ihn verbindet mehr mit einem anderen Häuptling – selbst einem ausländischen – als mit seinem eigenen Volk. Wer die Väterweisheit angreift, greift ihre Häuptlingsgewalt an. Dann helfen sie einander. Sie unterstützen sich gegenseitig mit Kriegern, Waffen, Nachrichten – nichts ist ihnen im Kampf gegen den gemeinsamen Feind zuviel. Gegen die einzigen Leute, die sich wirklich an den Bestien rächen wollen. Daran hätte ich denken sollen. Verdammt!« ächzte der Fallensprenger. »Ich bemerke doch, daß der Häuptling und Ottilie mißtrauisch waren. Ich hätte voraussehen müssen, was sie tun würden. Sie riefen die Ausländer zu sich, tauschten Informationen aus und verbündeten sich gegen uns!«
    Eric starrte seinen Onkel an. Langsam wurden ihm die Zusammenhänge klar. Genau wie es einen über die Stammesgrenzen hinausreichenden Geheimbund der Fremdgläubigen gab, so gab es ein stillschweigendes Übereinkommen zwischen den Häuptlingen, das sich auf die Religion der Väterweisheit stützte, die die mächtigste Säule ihrer Macht war. Und die der Macht der Führerinnen der Weibergesellschaft, wenn man's recht überlegte. Sämtliche Sondervorrechte entsprangen ihrer Kenntnis der Väterweisheit. Zerstörte man diese Religion, dann waren sie ganz gewöhnliche Weiber ohne alle Zauberkräfte.
    Unter schmerzlichem Stöhnen richtete Thomas der Fallensprenger sich auf und lehnte sich an die Wand.
    »Sie kamen uns nach«, sagte er mühsam. »Stephen vom starken Arm und seine Truppe. Knapp nachdem du im Bestienrevier verschwunden warst. Eine Truppe der Menschheit mit einer Nachricht des Häuptlings. Wer hätte da Verdacht schöpfen sollen? Kaum standen sie in unserer Mitte, fielen sie über uns her. Und wie sie uns niederschlugen, Eric! Der Überfall traf uns so unvorbereitet, daß sie kaum Verstärkung nötig hatten. Von uns war wohl nicht mehr viel übrig, als die Ausländer eintrafen. Ich lag auf dem Boden und kämpfte mit bloßen Händen genau wie die anderen. Die Ausländer knüppelten uns dann nieder. Jemand versetzte mir einen fürchterlichen Hieb. Hätte nie gedacht, daß ich davon wieder erwachen würde.«
    Ein Stöhnen entrang sich seiner Brust. »Sie brachten mich hierher zurück. Meine Frauen – sie haben sie geschunden.«
    Sein Kopf sank vornüber. »Sie waren gute Frauen. Beide. Brave, anständige Mädchen. Und sie haben mich geliebt. Sie hätten leicht ein besseres Leben haben können, aber sie haben mich eben ehrlich geliebt.«
    Auch Eric war den Tränen nahe. Als Jungkrieger hatte er zwar nicht viel mit ihnen zu schaffen gehabt, aber in seiner Kindheit hatten sie ihn mit ihrer mütterlichen Liebe überschüttet. Sie hatten ihn geohrfeigt und gestreichelt und ihm die Nase geputzt. Sie hatten ihm Geschichten erzählt und ihn im Katechismus der Väterweisheit unterwiesen. Daß sie dem Fallensprenger unerschütterlich die Treue hielten, hatte die Menschheit immer wieder erstaunt.
    Und jetzt waren sie tot oder lagen im Sterben, und ihre überlebenden Kleinkinder würden anderen Weibern zugesprochen werden, die dadurch wesentlich an Ansehen gewannen.
    »Sag«, fragte Eric seinen Onkel. »Warum hat die Weibergesellschaft sie gefoltert? Was haben sie denn so Schreckliches verbrochen?«
    Thomas hatte den Kopf wieder gehoben und sah seinen Neffen mitleidig an. Noch ehe der Fallensprenger etwas sagte, fühlte Eric, wie ihm die Eiseskälte ins Mark kroch.
    »Du willst es selbst jetzt noch nicht wahrhaben, Eric, wie? Ich kann es dir nicht verübeln. Aber es ist da. Es wird draußen bereits für uns aufgerichtet.«
    »Was?« fragte Eric. Aber in seinem Innersten kannte er bereits die fürchterliche Antwort.
    »Man hat uns zu Geächteten erklärt, Eric. Angeblich haben wir uns einer Todsünde gegen die Väterweisheit schuldig gemacht. Wir gehören der Menschheit nicht länger an. Du, ich, meine Familie, meine Truppe. Wir sind von der Menschheit geächtet, vom Gesetz verfemt, von der Religion als Ketzer verstoßen. Und was man mit Ketzern macht, weißt du ja, nicht wahr?«
     

 
8.
     
    Eric entsann sich, daß er sich seit zartester Kindheit auf ähnliche Anlässe gefreut hatte. Eine Kriegertruppe nahm einen Ausländer gefangen, und es wurde

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