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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Tenn
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war einmal entflohen. Wie ihm das gelungen war, hatte Eric nie erfahren. Er entsann sich nur, daß die Wache empfindlich gestraft worden war und noch lange nach der Flucht Kriegerabteilungen die Korridore nach dem Entsprungenen durchsucht hatten.
    Flucht. Das war es. Er mußte fliehen. Da er nun ein Geächteter war, durfte er nicht auf Gnade oder Straferlaß hoffen. Die bevorstehende Zeremonie war von einem religiösen Fanatismus durchtränkt, der sich nur in der völligen Vernichtung des Abtrünnigen entladen konnte.
    Also Flucht. Aber wie? Er zwang sich, in Ruhe sämtliche Möglichkeiten zu überlegen. Er wußte, daß ihm nicht viel Zeit blieb. Das Gerüst mußte bald fertig sein, und dann würden die Führerinnen der Weibergesellschaft kommen und ihn holen.
    Eric zerrte an seinen Fesseln. Wenn er die Hände frei bekommen könnte, gelang es ihm vielleicht, sich vorsichtig zum Eingang zu robben, plötzlich aufzuspringen und zu rennen. Selbst wenn ihn ein Speer durchbohrte – war das nicht immer noch besser als das andere?
    Aber niemand würde ihn töten. Das wußte er. Das Leben eines Geächteten mußte für den Prozeß geschont werden, deshalb zielte man auf die Beine. Es gab ein gutes Dutzend Krieger, die ihn selbst auf eine Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Schritten treffen würden. Und ein weiteres Dutzend, das imstande war, ihn einzuholen. Schließlich war er nicht Roy der Läufer.
    Roy! Der war inzwischen tot und im Kanal versenkt. Er bedauerte, mit Roy gestritten zu haben.
    Ein Ausländer ging am Grotteneingang vorbei und warf einen flüchtigen Blick hinein. Kurz darauf folgten ihm zwei weitere Ausländer in der gleichen Richtung. Sie schienen noch vor Beginn der Feier aufzubrechen. Vermutlich mußten sie ähnlichen Feierlichkeiten ihres eigenen Volkes beiwohnen.
    Walter der Waffenforscher, Arthur der Organisator – sahen sie eben jetzt in ähnlichen Vorratsgrotten dem gleichen qualvollen Tod entgegen? Eric bezweifelte es. Die beiden gingen bestimmt nicht so leicht in die Falle wie er und sein Onkel. Arthur war zu intelligent, davon war er überzeugt, und Walter, nun, Walter würde sich mit irgendeiner phantastischen Waffe behelfen, die keiner außer ihm kannte ...
    Das rote Kügelchen, das der Waffenforscher ihm gegeben hatte!
    War es eine Waffe? Er hatte keine Ahnung. »Die werden Augen machen«, hatte Walter ihm prophezeit.
    Wenn er durch ein Überraschungsmoment die allgemeine Aufmerksamkeit ablenken konnte, um mit seinem Onkel zu fliehen? Aber von Thomas dem Fallensprenger war keine Unterstützung mehr zu erwarten. Sein Oberkörper sank immer tiefer vornüber, und er murmelte pausenlos vor sich hin. Ab und zu unterbrach ein spitzer Aufschrei sein Delirium, wenn seine Wunden sich besonders schmerzhaft bemerkbar machten.
    »Onkel Thomas.« Eric beugte sich zu seinem Onkel und flüsterte eindringlich: »Ich glaube, es gibt einen Ausweg. Ich habe einen Fluchtplan.«
    Keine Reaktion. Ab und zu ein Stöhnen, dann wieder zusammenhangloses Gemurmel.
    »Deine Frauen«, sagte Eric verzweifelt, »deine Frauen! Willst du deine Frauen denn nicht rächen?«
    Ein flüchtiges Aufhorchen war die Antwort. »Meine Frauen«, lallte Thomas. »Gute Frauen. Anständige Frauen. Wollten nie etwas von Franklin wissen. Wirklich gute Frauen.« Der lichte Moment war vorbei, und das Gestammel setzte erneut ein.
    »Flucht!« flüsterte Eric. »Möchtest du nicht fliehen?«
    Als einzige Antwort rieselte eine dünne Blutspur aus dem zuckenden Mund.
    Eric spähte zum Eingang der Vorratsgrotte. Der Posten hatte keine Blicke mehr für die Gefangenen übrig. Draußen schien sich das Gerüst seiner Vollendung zu nähern, und der Posten hatte sich neugierig ein bis zwei Schritte vom Eingang entfernt. Hingerissen starrte er nach links in die große Versammlungshöhle.
    Das war immerhin etwas. Das Zipfelchen einer Chance. Andererseits bedeutete es auch, daß sie nurmehr kurze Zeit zu leben hatten. Jeden Augenblick konnten die Führerinnen der Weibergesellschaft auftauchen, um sie zur öffentlichen Folterung zu schleppen.
    Ohne den Blick vom Posten zu wenden, lehnte sich Eric an die unebene Grottenwand und begann, die Tornisterriemen an seinen Gelenken an den schärfsten Kanten zu reiben, die er nur finden konnte. Er sah ein, daß das zu langsam ging. Wenn sich nur irgendein scharfer Gegenstand finden ließe! Fieberhaft sah er sich um. Nein, nichts. Einige umgestürzte Lebensmittelsäcke, über die ein paar Schaben krochen.
    Seine

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