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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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da ist noch nicht gestreut!»
    Herr Liebenhagen, im Kamelhaarmantel und ganz Grandseigneur, grüßte herüber. «Danke, ich paß schon auf. Ist der Bus schon vorbei?»
    «Ich hab noch keinen gesehen», sagte die Kühl.
    «Ich hätt Sie gern noch ‘nen Moment gesprochen, Herr Liebenhagen!» rief Seywald.
    Herr Liebenhagen schien nicht begeistert zu sein. «Mein Bus…
    Meine Cousine hat Geburtstag, ich muß zum Kaffee.»
    Seywald schaltete schnell. «Warten Sie, ich fahr Sie hin.»
    «Jetzt gleich?» Liebenhagen zögerte noch.
    «Ja, kommen Sie, da drüben am Feuermelder steht er.» Seywald faßte ihn am Arm.
    «Na schön, wenn’s so ist!» Herr Liebenhagen folgte ihm.
    «Auf Wiedersehen, Frau Kühl, und vielen Dank auch.»
    Sie drückte Seywald die Hand. «Nichts zu danken! Und machen Sie keinen Quatsch; sehn Sie sich vor!»
    «Ja, ja, wir sind doch hier nicht in Chicago», lachte Seywald.
    «Spielen Sie immer noch Detektiv?» fragte Herr Liebenhagen.
    Seywald säuberte seinen dunkelgrünen R 4 vom Schnee. «Spielen? ‘n Spiel ist es wohl weniger… So.» Er schloß die Türen des Wagens auf. «Bitte, wenn Sie hier vorn Platz nehmen würden…»
    «Ja, danke, sehr freundlich.» Herr Liebenhagen stieg ein.
    «Alles verstaut? Gut!» Seywald schlug die Tür auf Liebenhagens Seite zu und ging dann vorn um den Wagen herum. «So, da bin ich wieder…» Er ließ sich in den Sitz fallen, knallte auch seine Tür zu und startete dann. «Na, hoffentlich springt er heute mal an.»
    «Sie haben immer noch Herrn Piesarczik im Visier?» fragte Herr Liebenhagen vorsichtig. «Das war mal mein Chef…»
    Also doch… Nichts anmerken lassen!
    Er fuhr los. «Wohin soil’s denn gehen?»
    «Arndtstraße 15», sagte Herr Liebenhagen.
    «Okay, machen wir… Und Sie glauben nicht, daß Ihr ehemaliger Chef so was getan haben könnte?» forschte Seywald.
    Herr Liebenhagen zeigte ein schwer zu deutendes Lächeln. «Gott, wenn ich Ihnen sagen würde, was ich alles glaube!»
    «Sie haben ihn also heute mittag auch gesehen?»
    «Ja, natürlich; wir sind doch zusammen im Fahrstuhl nach oben gefahren», antwortete Herr Liebenhagen.
    «Und? Haben Sie was miteinander geredet? War er irgendwie durcheinander?» Er hupte wild. «Idiot!»
    «Die Autofahrer heute, ja…» stimmte ihm Herr Liebenhagen zu. «Ob wir was miteinander geredet haben? Wir hatten nicht mehr viel miteinander zu reden. Vor zehn Monaten hat die FUNKTIONALBAU mich entlassen. Sechs Jahre war ich da, Chef der Buchhaltung, Prokurist. Plötzlich war ich ihm nicht mehr clever genug, da hat er sich dann diesen Moderegger geholt; das ist einer dieser neumodischen Wirtschaftsingenieure, halb Bauingenieur, halb Kaufmann. Der sollte frischen Wind in den Laden bringen. Außerdem hat seine Frau ‘ne Menge Geld.»
    «Und Sie haben plötzlich auf der Straße gesessen…»
    «Und da sitz ich immer noch. Wer nimmt denn einen Mann in meinem Alter noch? Jetzt bin ich der Privatkindergärtner für meine Enkel: der Opa Liebenhagen.»
    «Aber finanziell geht’s Ihnen doch gut, oder?» erkundigte sich Seywald.
    «Das ja. Ich hab ‘ne Abfindung bekommen. Und die Eigentumswohnung im ARIANE-Komplex.»
    «Den hat Piesarczik gebaut?» wollte Seywald wissen.
    «Er nicht, seine Bediensteten, aber sonst stimmt’s wohl. Das eine oder andere Apartment hat er sich als Absteige vorbehalten – ist ja sowieso nicht alles vermietet und verkauft.»
    «Das von meiner Schwester auch?» fragte Seywald.
    «Na sicher… Jetzt hier links, bitte.»
    «Ja, ich seh schon. Was meinen Sie denn, kann man Piesarczik erpressen?» Die Frage war sehr plötzlich gekommen.
    Herr Liebenhagen starrte ihn an. «Sie wolln ihn doch nicht etwa erpressen?»
    «Ich nicht, nein. Ich frag mich bloß, ob’s meine Schwester vielleicht getan hat», sagte Seywald.
    «So daß er ein Motiv gehabt hätte?»
    «Ja, genau.»
    Herr Liebenhagen dachte nach. «Hm… Da gibt’s bestimmt zwei Sachen…»
    «Und die wären?» Seywald fuhr jetzt sehr, sehr langsam.
    «Na, einmal die Kartellgeschichten. Jeder kennt’s, bloß keiner kann’s beweisen. Nehmen Sie mal an, die Kommune oder das Land schreibt den Neubau eines Bürogebäudes aus, Verwaltung, und da sind acht Firmen dran interessiert. Nun müßte es so gehen, daß jede die Sache genau durchkalkuliert und ihren Kostenanschlag einreicht. Die öffentliche Hand sucht sich dann die Firma aus, die’s am billigsten macht…» Herr Liebenhagen schien gerne zu dozieren.
    «So funktioniert’s aber nicht

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