Von Moerdern und anderen Menschen
ist er sicher, daß sie Piesarczik erpreßt hat: einmal mit den Preisabsprachen, und dann mit dem Fall Weißmantel.»
«Die ganze alte schmutzige Wäsche wieder…» stöhnte Gonschorek.
«Für Isy war’s die einzige und die letzte Möglichkeit, mal ganz nach oben zu kommen. Aber da war das Veto von Piesarcziks Mutter. Die Mutter auf der einen Seite, Isy auf der anderen Seite. Und da sind dann bei ihm die Sicherungen durchgebrannt. Das ist auch die Meinung von seinem neuen Prokuristen, Moderegger heißt der Mann, mit dem hab ich auch gesprochen. Kann sogar sein, daß Piesarcziks Mutter den Anstoß dazu gegeben hat.»
Gonschorek wurde väterlich. «Die mögen ja alle recht haben, Herr Seywald; schön und gut, Ihre Beweise da, aber Michael, aber Piesarczik ist viel zu sanft, viel zu schlaff, viel zu ängstlich, um so was zu tun.»
Seywald fuhr auf. «Hör ‘n Sie doch auf mit Ihrer Leserbriefpsychologie! Nehmen Sie Piesarczik endlich fest!»
Gonschorek zuckte die Achseln. «Warum? Wieso?»
«Das fragen Sie noch!» schrie Seywald ihn an. «Weil er meine Schwester ermordet hat!»
«Hat er eben nicht. Tut mir leid, ich muß jetzt weiter.» Er wandte sich von Seywald ab. «Es war ein Unfall, und es bleibt ein Unfall.»
Seywald verstellte ihm den Weg. «Es war ein Mord, und es bleibt ein Mord. Ich hab genügend Freunde bei der Presse. Nehmen Sie ihn fest, sonst ist Mittag die Hölle hier los. Überschrift: Gonschorek deckt seinen Spezi!»
Gonschorek bemühte sich um einen sachlichen Ton. «Das tu ich auch, aber zu Recht, denn Piesarczik hat zur Tatzeit – sowie eine Stunde davor und eine Stunde danach – mit drei Männern im Hubertus gegessen, drei Herren, die über jeden Verdacht der Manipulation erhaben sind. Dazu kommen zehn, fünfzehn Leute, die ihn gesehen haben: Ober, Bekannte, andere Gäste. Und er hat seinen Tisch nicht länger als zweimal fünf Minuten lang verlassen, und da ist er auch noch auf der Toilette gesehen worden.» Das war die hundertprozentige, die unantastbare Weisheit.
«Gesehen worden!» fiel Seywald ein. «Gesehen worden ist er auch bei Isy. Ich kann Ihnen mindestens zwei Zeugen nennen, die ihn…»
«Sicher ist er da gesehen worden – kurz nach zwölf, anderthalb Stunden vor der Tatzeit. Er hat ihr nur was zum Schreiben gebracht; das hat keine zehn Minuten gedauert.»
«Das ist doch glatt gelogen! Das ist doch alles eine schmutzige Intrige hier!» schrie Seywald.
Gonschorek ließ ihn stehen und schloß die Tür zu seinem Dienstzimmer auf. «Herr Seywald, beherrschen Sie sich bitte. Und verlassen Sie jetzt das Dienstgebäude!»
«Das verlaß ich erst, wenn ich mein Recht bekommen habe. Los, verhaften Sie Piesarczik!»
«Piesarczik hat mit dem Unfall nicht das geringste zu tun, nicht das allergeringste – wie oft soll ich Ihnen das denn sagen?»
«Er hat meine Schwester auf dem Gewissen!»
«Da ist der viel zu anständig zu», sagte Gonschorek.
«In dieser Gesellschaft hier, da gibt es Situationen, da wird auch der Anständigste kriminell, das ist es ja gerade. Bei bestimmten Konstellationen, da…»
«Ich will jetzt keine Vorträge hören, ich will jetzt arbeiten!» Gonschorek versuchte, seine Tür zuzudrücken.
Seywald stellte den Fuß dazwischen. «Ja, arbeiten Sie doch, verhaften Sie Ihren Freund Piesarczik!»
«Bitte, gehen Sie.»
«Nein, ich gehe nicht!»
«Dann gehe ich eben!» Gonschorek stieß Seywald zur Seite, schlüpfte in sein Zimmer, warf die Tür hinter sich zu und schloß ab. «Armer Irrer!»
Seywald rüttelte wie toll an der Tür, fast hätte er die Klinke abgebrochen. «Sie können mich doch nicht einfach wegstoßen – was sind denn das für Sitten hier? Heh, kommen Sie raus! Gonschorek!» Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. «Sie sollen rauskommen! Oder mich reinlassen!» Seine Schläge wurden immer wuchtiger. «Ihr Scheißbullen, ihr!»
Untergetaucht
Wochentags sind die Berliner Gewässer mitunter so still, als wären es finnische Seen; zumindest bis in den frühen Vormittag hinein. Wenn die Boote vertäut an ihren Stegen liegen und keine lärmenden Kinder die Badeplätze bevölkern, zumal bei trübem Wetter, dann ziehen die Angler am Ufer auf. Knorrig-bärbeißige Typen oft, in sich gekehrt, fossile Reste aus Zeiten, als hier in der märkischen Landschaft die Semnonen fischten und jagten; andererseits in ihrem Äußeren Westmännern gleich, wie Karl May sie beschreibt.
Rudi beispielsweise saß am Niederneuendorfer See
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